Plug and Play

Was der PC für das Büro war, soll der Roboter "Franka" nun für die Produktionshallen werden: Ein universelles und preiswertes Werkzeug für jedermann.

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Einmal den Metallarm zum Schieberegler führen. Klick. Einmal zur Drucktaste. Klick. Noch ein paar weitere Klicks, und ich habe meinen ersten Roboter programmiert. Er, beziehungsweise sie, hört auf den Namen Franka Emika und ist von umgänglicher Natur. Auf einen weiteren Klick hin fährt Frankas weißer Arm zu einem DJ-Mischpult und fuhrwerkt dort sanft an den Knöpfen herum, so wie ich es vorgegeben habe.

Franka, entwickelt vom Münchener Start-up Kbee, ist das jüngste Mitglied einer Familie von Robotern, die sich nicht mehr hinter Sicherheitszäunen verstecken müssen. Kuka, größter Investor bei Kbee, ist mit dem "iiwa" dabei, ABB mit dem zweiarmigen "YuMi" und Rethink Robotics mit "Baxter" und "Sawyer". Drehmomentsensoren in den Gelenken sollen sie alle so feinfühlig machen, dass sie keine Menschen verletzen können. Franka aber kostet nur einen Bruchteil von ihnen. Das könnte den Durchbruch für eine neue Gattung von Volksrobotern bedeuten.

Auf einem Video traktiert Franka sogar einen aufgeblasenen Luftballon mit einem Nagel, ohne dass der Ballon platzt. So feinfühlig ist sie allerdings nicht immer: Als ich Franka auf der Hannover Messe probeweise in den Arm falle, drückt sie mich unbeirrt weg. Die Parameter waren offenbar nicht richtig eingestellt. Na ja, wohl der berühmte Vorführeffekt. In der Produktionshalle könnten solche Fehler allerdings Menschen verletzen.

Sami Haddadin, der Mann hinter Franka, glaubt dennoch fest an die Zukunft seines Geschöpfs. Er hat zuvor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an sensiblen Robotern gearbeitet und besitzt ein großes Sendungsbewusstsein. "Wir wollen der PC der Robotik sein", sagt er. Wie beim PC soll auch beim Roboter ein Administrator für Sicherheit sorgen. Nur zertifizierte Mitarbeiter haben dann das Recht, bestimmte Sicherheitseinstellungen zu verändern – etwa bei welchem Widerstand der Arm nachgibt.

Um Franka zu programmieren, muss der Benutzer keine Programmiersprache beherrschen. Stattdessen kann er sich komplexe Choreografien aus einzelnen "Apps" wie dem Drehen eines Reglers zusammenklicken. Das Basispaket enthält Apps, die laut Haddadin für rund 80 Prozent aller Aufgaben ausreichen. Weitere Anwendungen können Kunden dazukaufen oder selbst schreiben. Für 2017 plant Kbee einen App Store, in dem Franka-Nutzer ihre eigenen Lösungen anderen Kunden zur Verfügung stellen können.

In der Grundausstattung kostet der Roboterarm nur 9900 Euro – trotz Fertigung in Deutschland. Wie das geht, zeigte Kbee ebenfalls auf der Hannover Messe: Franka baut weitere Frankas. Ein Arm platziert den Motor, ein anderer schraubt die Abdeckung fest. Gerade solche feinmotorischen Aktionen wie Schrauben drehen würden in der Industrie noch praktisch ausschließlich von Menschen erledigt, so Haddadin.

Dabei ist Franka zumindest in der vorgeführten Version blind, denn eine Kamera gibt es nur als Zubehör. Ein Geheimnis dahinter: Es gibt ein komplettes Softwaremodell des Arms. Das bedeutet, dass jede Bewegung vorab simuliert werden kann – einschließlich der Nachschwingungen.

Mit drei Kilogramm Nutzlast ist Franka für ihr geringes Gewicht von 18,5 Kilogramm schon ziemlich kräftig. Damit kann sie nicht nur Elektronik zusammenbauen, sondern auch schwerere Maschinen. Für Frank Kirchner, Leiter des Robotics Innovation Centers am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Bremen, ist die Nutzlast das Entscheidende der neuen Robotergeneration: "Sie definiert die Anwendbarkeit, etwa bei den großen Stückzahlen in der Autoindustrie. Wir bräuchten 30 Kilogramm oder mehr, aber das gibt's noch nicht."

Ein Roboter, der gleichzeitig ausreichend schwere Lasten wuchten und mit Menschen Seite an Seite arbeiten kann, würde die Produktion "ganz massiv verändern", so Kirchner. In einem Mensch-Roboter-Team könnte der mechanische Arm dann so etwas wie Assistent werden, der von seinem menschlichen Kollegen angelernt wird.

Arbeitsplätze gingen dadurch nicht unbedingt verloren, glaubt Kirchner. Schon heute gebe es einen Mangel an erfahrenen Werkern, die wegen der hohen körperlichen Belastung oft früh aus dem Berufsleben ausschieden. Durch Roboterunterstützung könnten sie länger im Job bleiben. "Wir können die Menschen dann besser verteilen und zum Beispiel die Arbeitszeiten flexibler machen", sagt Kirchner – etwa durch die Abschaffung unbeliebter Nachtschichten. (grh)