Microsoft mischt sich in die Fusion AOL/Time Warner ein

Weil Microsoft bei Time Warner abblitze, mutiert der Konzern zum Warner vor Wettbewerbsverzerrungen.

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Von
  • Christian Rabanus

Eben warf der Softwarekonzern Microsoft noch Richter Thomas Penfield Jackson eine falsche Auslegung der Antitrust-Gesetze vor, jetzt meldet er wettbewerbsrechtliche Bedenken an dem Fusionsvorhaben der beiden Unternehmen AOL und Time Warner an. Das will zumindest das Wall Street Journal aus Unternehmenskreisen erfahren haben.

Die US-Handelsaufsicht Federal Trade Commission (FTC) hatte den beiden fusionswilligen Unternehmen AOL und Time Warner als Bedingung zur Genehmigung des Zusammenschlusses vorgegeben, einen Vertrag mit einem Konkurrenten von AOL abzuschließen. Darin sollte dem Konkurrenten ein Zugang zum Kabelnetz des Medienkonzerns zu nicht-diskriminierenden Bedingungen eingeräumt werden. Im November konnte Time Warner dann tatsächlich der Abschluss eines Abkommens mit dem Internet-Provider Earthlink bekannt geben. Für die Überprüfung des Vertrags und die Verkündung einer Entscheidung über die Fusion wollte sich die FTC noch bis Mitte Dezember Zeit nehmen. Insider erwarten den Abschluss der Revision in der nächsten Woche.

Zwar war von Microsoft keine offizielle Stellungnahme zu erhalten, nach den Informanten des Wall Street Journal ist aber auch Microsoft an einem Vertrag mit Time Warner interessiert gewesen. Die Verhandlungen seien aufgrund der Forderung Microsofts gescheitert, den Kabelzugang zu einen nach und nach sinkenden Pauschalpreis zu bekommen. Es ist aber auch davon auszugehen, dass die Erzrivalität zwischen dem Softwarekonzern und AOL den Medienkonzern Time Warner nicht dazu motiviert hat, eine Einigung wirklich ernsthaft anzustreben.

Microsoft wirft Time Warner jetzt vor, dass sich der Medienkonzern einerseits bewusst einen schwachen Vertragspartner ausgesucht und dann andererseits die Vertragsbedingungen sehr zu Ungunsten Earthlinks gestaltet habe. Dies werde letztlich zu höheren Preisen für die Verbraucher führen.

Allem Anschein nach ist allerdings Time Warner nicht bereit, den Vertrag mit Earthlink noch zu ändern. Das Börsenblatt vermutet, dass beide fusionswilligen Konzerne mittlerweile sehr ungeduldig auf eine Entscheidung der FTC warten – schließlich wollten sie den Deal auf jeden Fall noch in diesem Jahr unter Dach und Fach haben. Mittlerweile drohen sie wohl inoffiziell damit, dass niemand eine Öffnung des Kabelnetzes von Time Warner verlangen könne, wenn die Fusion gestoppt wird. Der Vertrag mit Earthlink jedenfalls tritt nur dann in Kraft, wenn der Zusammenschluss genehmigt ist.

Der US-Handelsaufsicht wäre dem Vernehmen nach der Abschluss eines Vertrags mit Microsoft sehr recht gewesen. Sicherlich hätte ein gewichtiger Vertragspartner Time Warner bessere Zugangskonditionen abringen können als der Provider Earthlink, der im Vergleich mit Time Warner und AOL ein Fliegengewicht ist. Außerdem hätte die FTC auf ein vor der Fusion geschlossenes Abkommen zwischen Microsoft und Time Warner große Einflussmöglichkeiten gehabt. Sollte die Fusion genehmigt werden und der neue Megakonzern dann mit Microsoft in Verhandlungen über eine Kooperation treten, wäre es für die Aufsichtsbehörden sehr viel schwieriger und langwieriger, regulierend einzugreifen. (chr)