POWER8-Workstation mit offener Firmware und Linux

Der US-Entwickler Raptor Engineering will ein ATX-Mainboard mit leistungsfähigem IBM-Prozessor und quelloffener Firmware auf den Markt bringen, wenn sich genügend Interessenten finden; billig ist das Gerät aber nicht.

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Raptor Engineering Talos mit POWER8

Raptor Engineering Talos: ATX-Mainboard mit POWER8-CPU

(Bild: Raptor Engineering)

Lesezeit: 4 Min.
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Raptor Engineering aus Belvidere im US-Bundesstaat Illinois entwickelt das ATX-Mainboard "Talos" für einen POWER8-Prozessor und acht Speichermodule. Es ist für Workstations gedacht, die ohne proprietäre Firmware auskommen, also ausschließlich quelloffene Software ausführen.

Als Betriebssystem stehen mindestens sieben Linux-Varianten zur Auswahl, die Unterstützung für zwei weitere ist in Arbeit. Das Board bootet mit dem von IBM offengelegten OpenPOWER Abstraction Layer (OPAL) mit einem PetitBoot-Interface. Der Fernwartungschip (Baseboard Management Controller) Aspeed AST2400, der auch einen Grafikkern enthält und den HDMI-Ausgang des Boards versorgt, läuft mit der von Facebook entwickelten OpenBMC-Firmware.

Interessenten, die Talos als "sichere Workstation mit hoher Rechenleistung" einsetzen wollen, müssen im Vergleich zu x86-Technik tief in die Tasche greifen: Rund 3700 US-Dollar soll ein Talos-Board inklusive der schwächsten Ausführung des IBM POWER8 SCM (Single-Chip Module) mit 8 Kernen und 64 Threads kosten. Raptor packt noch einen passenden Kühler dazu und die ATX-I/O-Blende für Standard-ATX-Gehäuse. Netzteil, RAM, Festplatte oder SSD kommen aber noch hinzu.

Ein OpenPOWER-Prozessor bindet bis zu acht Memory-Buffer-Chips an, die aktuellen heißen Centaur.

(Bild: OpenPOWER)

Meistens wird auch noch eine Grafikkarte nötig sein: Aus der bisherigen Dokumentation wird aber nicht ganz klar, ob Facebooks OpenBMC-Firmware auch den vor allem für 2D-Anwendungen und Fernwartung ausgelegten Low-Power-Grafikkern im Aspeed AST2400 initialisiert. Als Grafikkarte empfiehlt Raptor in der FAQ eine mit älterem Nvidia-GeForce-Chip, den der Nouveau-Treiber unterstützt.

Derzeit prüft Raptor Engineering, ob sich die Produktion des Talos lohnt. Interessenten müssen 1000 US-Dollar Anzahlung leisten.

Im Rahmen der OpenPOWER-Initiative stellen auch Firmen wie Tyan und Wistron Entwicklersysteme mit POWER8-SCM-CPUs vor. Dabei handelt es sich aber durchweg um Rack-Server, die man sich kaum unter den Schreibtisch stellen möchte und bei denen auch keine Grafikkarten vorgesehen sind – eher Tesla-Rechenbeschleuniger.

Um Software-Entwicklern den Einstieg zu erleichtern, hatten IBM und Tyan 2014 einen POWER8-Server für unter 3000 US-Dollar offeriert, bei dem aber nur ein Centaur Memory Buffer vorhanden ist. Das IBM Power System S812LC ist inklusive 32 GByte Speicher, Festplatte und redundantem Netzteil ab 4820 US-Dollar erhältlich und besitzt vier Centaur-Chips für bis zu 32 Speichermodule. Auf dem Talos-Board sitzen zwei Centaur, die bis zu 256 GByte DDR3L mit ECC anbinden.

Laut Raptor wäre eine Talos-Workstation "Blob-free", was bedeuten soll, dass sie ohne proprietäre binäre Code-Module (Blobs) in der Firmware auskommt. Auch die Dokumentation soll bis auf wenige Passagen zum PCIe-Switch offengelegt werden.

Blockschaltbild des IBM Power System S812LC: Eine hoch integrierte Southbridge wie für x86-Prozessoren gibt es für OpenPOWER bisher nicht.

(Bild: IBM)

Allerdings enthalten auch USB- und SATA-Hostcontroller sowie Netzwerkchips eigene Firmware, ebenso wie Grafikkarten (VGA-BIOS), Festplatten, SSDs, USB-Sticks oder auch Tastaturen beziehungsweise deren Funk-Adapter. Dazu schreibt Raptor Engineering nichts weiter. Die Firma entwickelt aber auch Coreboot-Firmware und dürfte in der Lage sein, weiteren Support zu leisten.

Entwicklerboards wie der Raspberry Pi kommen ebenfalls weitgehend ohne proprietäre Firmware aus, bieten aber bei Weitem nicht die Rechenleistung eines POWER8. Raptor vergleicht die Performance des Talos eher mit der eines Opteron 6328 (entspricht ungefähr FX-8300) oder der des Xeon E3-1270 (entspricht Core i7-2600).

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(ciw)