Wissenschaftler spüren erneut Gravitationswellen auf

Die Wissenschaftler haben sich viel Zeit mit der Auswertung und der Prüfung gelassen, aber nun ist es sicher: Zu Weihnachten 2015 konnten die LIGO-Detektoren ein zweites Mal Gravitationswellen aufspüren.

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Gravitationswelle
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Gewissermaßen als Weihnachtsgeschenk wurde den Gravitationswellenforschern eine weitere Verschmelzung von zwei schwarzen Löchern unter den Tannenbaum gelegt. Wie auf der letzten Tagung der Gravitationsforscher in Hannover schon angedeutet, gab es im Lauf O1 bis zum Abschluss im Februar 2016 ein weiteres Event. Am 26. Dezember um 4:38:54 MEZ zeichneten die beiden LIGO-Detektoren in den USA zwar schwächere aber längere Signale auf (GW151226) als beim ersten Event vom September 2015 (GW150914). Zuerst nahm der Detektor in Livingston das Signal auf, dann 3002 km entfernt mit nur 1,1 ms Verzögerung der Detektor in Hanford. Die Welle muss also etwa 300 km von der Mitte entfernt zwischen den Detektoren eingetroffen sein.

Auch das neue Event resultiert aus der Umkreisung mit anschließender Vereinigung von zwei stellaren Schwarzen Löchern vor rund 1,4 Milliarden Jahren. Diesmal konnte man sogar die letzte Sekunde mit 27 Umrundungen belauschen. Bei GW150914 waren es nur etwa 200 ms mit 5 Umrundungen. Dafür waren die Schwarzen Löcher damals größer und der "Bumms" mit der ausgestrahlten Energie von 3 Sonnenmassen dreimal stärker. Nun wurde bei der Vereinigung der beiden Löcher mit 14 und 8 Sonnenmassen "nur" eine Sonne abgestrahlt. Das Signal mit einer relativen Längenänderung von 3×10-22 lag daher unter der Triggerschwelle der Detektoren, löste also anders als GW150914 keinen sofortigen Alarm aus.

Diesmal war ein langwährendes, aufwendiges Rechenverfahren nötig, um mit Hilfe möglicher, vorberechneten Szenarien (Templates) das Event mit genügender Signifikanz von mindestens 5 Sigma aus dem Rauschen herauszurechnen. Dass so ein Verfahren gängig ist und gut funktioniert beweist alltäglich GPS, wo das Signal (hier aus ursprünglich militärischen Gründen) nicht sichtbar im Rauschen liegen und man es nur bei Kenntnis des Schlüssels (des "Templates") per Kreuzkorrelation aus dem Rauschen sicher herausrechnen kann.

Die Simulation eine Sekunde vor der Vereinigung der zwei Schwarzen Löchern mit 14 und 8 Sonnenmassen. Unten das passende Template zeigt es: noch 27 Umdrehungen, dann scheppert es!

(Bild: Numerical - relativistic Simulation: S. Ossokine, A. Buonanno (Max Planck Institute for Gravitational Physics), Simulating eXtreme Spacetime project, Scientific Visualization: T. Dietrich, R. Haas (Max Planck Institute for Gravitational Physics))

250.000 Templates hat man derzeit zumeist am Albert-Einstein-Institut in Golm/Potsdam vorberechnet, an weiteren arbeitet man. Direktorin Alessandra Buonanno ist glücklich, dass die theoretischen Modelle so gut zutreffen: "Es ist fabelhaft, dass unsere Wellenformmodelle dieses schwache aber so unglaublich wertvolle Gravitationswellen-Signal aus dem Rauschen extrahiert haben!"

Man konnte anhand des Signalverlaufs mit den Modellen sogar herausfinden, dass sich mindestens eins der beiden Schwarzen Löcher gedreht hat.

Bei GW150914 hatte man Glück, auf so schwere Schwarze Löcher war man gar nicht eingestellt, das zutreffende Template lag ziemlich weit am äußersten Rand. Nun erweitert man den Massenbereich hin zu noch schwereren Schwarzen Löchern. Ursprünglich ging man ohnehin gar nicht so sehr von zwei Schwarzen Löcher aus, sondern sah bessere Chancen, die Vereinigung zweier Neutronensterne oder eines Neutronenstern und eines Schwarzen Loches belauschen zu können. Diese Einschätzung hat man spätestens nach GW151226 wohl revidiert.

Alle LIGO-Daten auszuwerten und mit den Templates nach Treffern zu suchen ist ein ungeheurer Rechenaufwand. Gut die Hälfte aller Daten werden vom ATLAS-Supercomputer am AEI in Hannover ausgewertet, unter anderem bestückt mit rund 2000 Nvidia GTX270-Karten. Der dortige Direktor Bruce Allen ist sich sicher, dass die Ergebnisse statistisch abgesichert sind: "Nun müssen auch Skeptiker zugeben, dass unsere erste Messung kein statistischer Zufall war". Er ist "absolut zuversichtlich, dass wir in den nächsten paar Jahren Dutzende ähnliche Verschmelzungen schwarzer Löcher beobachten werden und viel über das Universum erfahren werden."

Insgesamt sieht Advanced LIGO (aLIGO) für die nächsten zwei Jahre eine Steigerung der Empfindlichkeit um bis zu Faktor drei vor. Das soll insbesondere durch eine höhere Laser-Leistung erzielt werden. Die an der Leibniz Universität und dem Laserzentrum Hannover entwickeln Laser injizieren derzeit mit 20 Watt, Advanced LIGO ist für bis zu 150 Watt Laser-Leistung ausgelegt. In Hannover hat man zudem sogenanntes gequetschtes Laser-Licht entwickelt, das die Empfindlichkeit weiter steigern kann. Das soll aber erst später bei aLIGO eingeführt werden.

Der nächste Beobachtungslauf „O2“ von aLIGO wird diesen Herbst beginnen und soll etwa sechs Monate lang dauern. Bis dahin sollen weitere Verbesserungen in der Detektorempfindlichkeit es LIGO erlauben ein 1,5- bis 2-mal so großes Volumen des Universums wie bisher zu erreichen. Der etwas kleinere Gravitationswellen-Detektor GEO600 in Ruthe bei Hannover wird ebenfalls an dem Beobachtungslauf teilnehmen. Der Virgo-Detektor in Italien wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte von O2 dazustoßen.

Für die nächsten Lauf O2 von LIGO erwartet man so um die10 Events, für Lauf O3 mit weiter verbesserter Empfindlichkeit dann schon gut 35 Events.

(Bild: Duncan Brown, Syracuse University)

(as)