Richtung Service: Die Evolution der Kanban-Methode

Im Kern hat sich Kanban über die Jahre hinweg nur wenig verändert. Trotzdem gibt es viele neue hilfreiche Konzepte, die den Anwendungsbereich erweitern sowie die Einführung und den Einsatz von Kanban erleichtern.

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Richtung Service: Die Evolution der Kanban-Methode
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Wolfgang Wiedenroth
Inhaltsverzeichnis

Bereits 2010 erschienen auf heise Developer Artikel zu Kanban in der Softwareentwicklung. Damals ging es vorrangig darum, Kanban von beispielsweise Scrum abzugrenzen und aufzuzeigen, welchen Nutzen die Methode mit sich bringt und inwiefern Unternehmen davon profitieren.

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Am generellen Ziel hat sich bis heute nichts geändert. Kanban verhilft Unternehmen weiterhin zu früherem Return on Investment, einer besseren Positionierung am Markt und schnellerem Feedback. Alles Ergebnisse, die kürzere Time-to-Market und gesteigerte Kundenzufriedenheit mit sich bringen. Aber trotzdem hat sich mittlerweile einiges getan. Der Artikel bietet einen Überblick über alle wichtigen Änderungen und Neuheiten.

Wer sich heute die Prinzipien und Praktiken von Kanban anschaut, stellt fest, dass seit der Veröffentlichung von David J. Andersons Buch "Kanban: Evolutionäres Change Management für IT-Organisationen" jeweils ein Prinzip und eine Praktik hinzugefügt worden sind:

  • Das neue Prinzip: "Ermutige dazu, Leadership auf jeder Ebene der Organisation zu zeigen – vom einzelnen Mitarbeiter bis zum höheren Management."
  • Die neue Praktik: "Implementiere Feedback-Zyklen."
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Prinzipien in Kanban

  1. Beginne mit dem, was du gerade tust.
  2. Vereinbare, evolutionäre Veränderung zu verfolgen.
  3. Respektiere initial Prozess, Rollen, Verantwortlichkeiten und Job-Titel.
  4. Ermutige dazu, Führung auf jeder Ebene der Organisation zu zeigen – vom einzelnen Mitarbeiter bis zum höheren Management.

Praktiken in Kanban

  1. Visualisiere.
  2. Limitiere die Menge paralleler Arbeit (Work in Progress, WIP).
  3. Manage den Arbeitsfluss.
  4. Mache Prozessregeln explizit.
  5. Implementiere Feedbackzyklen.
  6. Erziele Verbesserung kooperativ und entwickle experimentell (verwende dazu Modelle und die wissenschaftliche Methode).

Diese Erweiterungen sind ein Beispiel für die Anwendung von Kanbans vierter Praktik: "Mache (Prozess-)Regeln explizit." Denn wie die Forderung nach Leadership auf allen Ebenen finden sich Feedback-Zyklen bereits in Andersons Buch, sie hatten aber noch nicht den Status eines Prinzips beziehungsweise einer Praktik.

Das Thema Leadership schmückte als Comic (s. Abb. 1) sogar die Titelseite der englischen Version des Buchs. Übrigens ein gutes Beispiel dafür, was Kanban mit Leadership meint. Wie viele Leadership-Handlungen sind zu sehen?Comic auf der Titelseite von Andersons Buch.

Comic auf der Titelseite von Andersons Buch "Kanban: Successful Evolutionary Change for Your Technology Business" (Abb. 1)

Wer vier getippt hat, lag richtig. Jede einzelne Person auf dem Bild übernimmt die Leitung.

Jeder Mitarbeiter weiß für seinen Bereich am besten, was benötigt wird beziehungsweise was fehlt, um Anforderungen den Erwartungen der Kunden entsprechend umsetzen zu können. Teilt er das
Wissen nicht, gehen unzählige Optionen für Verbesserungen verloren. Deswegen sollen alle Mitarbeiter ermutigt werden, für ihren Verantwortungsbereich ("auf jeder Ebene") Führung zu übernehmen. Das bedeutetet zum einen, dass jeder seine Arbeitsweise selbstorganisiert so gestalten darf und soll, dass er Anforderungen bestmöglich umsetzen kann. Zum anderen bedeutet es, dass man Probleme außerhalb des eigenen Verantwortungsbereich transparent machen kann, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Nur so wird das Management überhaupt erst in die Lage versetzt, etwas tun zu können ("Let's do something about it").

Leadership auf allen Ebenen ist ein wichtiges Prinzip, um das Gesamtsystem zu verbessern und sich nicht in lokaler Optimierung zu verlieren.

Feedback-Zyklen werden in Andersons Buch in Form täglicher Standups und Operation Reviews erwähnt. Jedoch fordert er an keiner Stelle explizit dazu auf, Feedback-Zyklen beim Einsatz von Kanban zu implementieren. Das hat sich mit der Einführung der Praktik 2012 geändert.

Nach Ansicht des Artikelautors sind fehlende Feedback-Zyklen ein häufiger Grund, warum viele Kanban-Initiativen nie über eine Visualisierung hinauswachsen. Ohne sie besteht keine Möglichkeit, Signale zu verarbeiten, die das Kanban-System aussendet.

Wer die Signale nicht verarbeitet, kann ihre Bedeutung beziehungsweise Auswirkung nicht verstehen. Leider reicht es nicht, Probleme oder Beobachtungen nur sichtbar zu machen. Erst wer sich Zeit nimmt, sie auch zu verstehen, ihnen also auf den Grund geht, kann Gegenmaßnahmen ergreifen.

Aus diesen Optionen entstandene Experimente werden dann auf den Prozess angewendet. Ihre Ergebnisse sind anschließend wieder zu überprüfen. Nur so lässt sich beurteilen, ob das ursprüngliche Problem gelöst ist oder andere Maßnahmen zu ergreifen sind.

Feedback-Zyklen sind der Motor für kontinuierliches Lernen und damit für kontinuierliche Verbesserung. Ohne sie ist die schönste Visualisierung nichts wert.