Vergangenheitsromantische Pedelecs von Fogliaverde

Der Schweizer Velofabrikant Grünblatt stellt ein neues Pedelec vor. Das E-Velo ist ein Singlespeeder mit Nabenantrieb und einer Kapazität von bescheidenen160 Wh. Allerdings geht es bei diesem Bike eher ums Aussehen als ums Ausfahren. Und deshalb gibt es davon auch eine künstlich gealterte Version

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Vergangenheitsromantische Pedelecs von Fogliaverde
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München, 7. Juli 2016 – Der Schweizer Velofabrikant Grünblatt stellt ein neues Pedelec vor. Das E-Velo ist ein Singlespeeder mit Nabenantrieb und einer Kapazität von 160 Wh. Das ist zwar weniger als in den üblichen Elektrifizierten, allerdings geht es bei diesem Bike eher ums Aussehen als ums Ausfahren. Für die Selbstdarsteller unter den Modebewussten gibt es davon auch eine künstlich gealterte Version.

Motorräder, die wie Café-Racer der 60er-Jahre daherkommen oder wie ein Dakar-Sieger vor 30 Jahren aussehen, Crossover-Modelle (Zweiräder wie Autos), die trotz einer angetriebenen Achse den Eindruck erwecken, sie könnten die Wälder des Amazonasbeckens während der Regenzeit durchqueren – und danach die Anden. Oder Mischwesen auf Basis einer braven Limousine, die äußerlich aus „sportlichem” Coupé und „rustikalem” SUV „das Beste oder nichts” aus beiden Welten versprechen – auf unseren Straßen blüht gerade eine bemerkenswerte Maskerade. Selbstdarstellung wird zum Selbstzweck.

Vergangenheitsromantische Pedelecs von Fogliaverde (24 Bilder)

Der Zehus-Pedelec-Antrieb eignet sich gut zur unauffälligen Elektrisierung eigentlich gar nicht dafür gedachter Bikes. Das bringt Menschen wie den Schweizer Radschrauber Grünblatt auf optisch interessante Ideen.
(Bild: velocipede-fogliaverde (alle))

Weil aber jeder weiß, dass es sich bei dieser Mode um einen Mummenschanz handelt, bei dem sich die optischen Versprechen völlig von den technischen Gegebenheiten gelöst haben, ist es kein Wunder, dass echte Klassiker inzwischen mehr wert sein können, wenn sie noch die originale Patina der Jahrzehnte tragen. Gebrauchsspuren sind zwar als ehrlicher Ausweis ihrer Originalität nicht zu beanstanden, aber wohl auch ein bisschen dem Widerstand gegen die Mode geschuldet.

Diese hat sich längst postmodern ironisch gebrochen weitergedreht: So wie es Schlammspray aus der Dose für den quasi-authentischen Auftritt mit dem Land Rover Defender gibt, so wird heute auch bei der Patina nachgeholfen. Die Ergebnisse sind auf jeder Tuning-Show zu besichtigen. Das Problem bei der Sache: Künstliche Patina ist noch viel ärger als jedes Schlammspray, denn das kann man in jeder Waschanlage schnell wieder loswerden. Wir haben es vielmehr mit einer relativ langlebigen Möblierung des öffentlichen Raums zu tun. Die Hoffnung, das Phänomen verschwindet ähnlich schnell wie die im Ansatz vergleichbare Antikledermode der frühen 90er, ist also klein. Wenigstens ist die Population solcher Kunstroster relativ überschaubar im Vergleich zu den damals inflationären Oversizelederjacken.

Für eine Entwarnung ist es gleichwohl noch zu früh, denn nun ist diese Mode offenbar beim Pedelec angekommen. Die schweizer Firma Fogliaverde (nach ihrem Chef, Herrn Grünblatt – zwinkerzwinker) bietet ihr Elektrorad jedenfalls auf Wunsch auch rostpatiniert an. Dann heißt es ironisch gebrochen – zwinkerzwinker – la specialità ruggine und verströmt Vergangenheitsromantik.