Cisco Live 2016: Weniger (Netzwerk-)Hardware, mehr (IoT-)Dienste

Auf seiner ersten Cisco Live 2016 als CEO stellte Chuck Robbins vor, in welche Richtung er das Geschäft des Unternehmens in den nächsten Jahren führen möchte. Dabei will er Kunden vor allem mit mehr Diensten inklusive Mietmodell an den Hersteller binden.

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Cisco Live 2016: Weniger Hardware, mehr Dienste

Chuck Robbins, Cisco Chief Executive Officer, zeigte auf der Cisco Live 2016 wie sich das Unternehmen in den nächsten Jahren umstellen soll.

(Bild: Cisco)

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Zum ersten Mal hat Ciscos neuer CEO Chuck Robbins, der Mitte 2015 die Führung des US-amerikanischen Netzwerkausrüsters vom langjährigen Vorgänger John Chambers übernommen hat, die Hausmesse Cisco Live in Las Vegas mit über 28.000 Teilnehmern eröffnet. Nachdem beim Wechsel zunächst skeptische Stimmen überwogen hatten, wurden die Teilnehmer in der ersten Keynote nicht enttäuscht.

Ruhig und mit Einlagen von trockenem Humor gespickt konnte Robbins die Strategie darlegen, mit der sich das Unternehmen vom führenden Anbieter von Netzwerk- und Kommunikationsinfrastruktur hin zum Schlüsselunternehmen in der Ära von IoT und Digitalisierung entwickeln möchte. Diese Evolution ist auch nötig, da die Verkaufszahlen im Bereich der Router und Switches, das klassische Kerngeschäft, leicht rückläufig sind. Während das Internet der Dinge noch immer Hardware und Beratung fordert, soll sich das Geschäftsmodell schrittweise wandeln – vom traditionellen Verkauf von Produkten hin zu Services im Mietmodell, die regelmäßigen Umsatz versprechen.

In Sachen Internet of Things hatte der Hersteller die Begrifflichkeiten dieses Jahr anders aufgefasst – im letzten Jahr war noch vom Internet of Everything die Rede, bei dem auch Menschen vernetzt werden sollten. In der Pressekonferenz darauf angesprochen, warum Cisco wieder zur alten Bezeichnung zurückgekehrt sei, antwortete Robbins, sie hätten herausgefunden, dass sich nicht alle Bereiche und Aktivitäten des menschlichen Lebens fürs IoT eignen würden – mindestens einer sei dafür ungeeignet.

Bei den technischen Neuigkeiten hatte Cisco dieses Jahr einiges zu bieten. Die wichtigste Ankündigung stellt die Tetration Analytics Plattform dar, mit der der Hersteller den Datenverkehr und die Abhängigkeit von Applikationen untereinander in Rechenzentren umfassend sichtbar machen will, um die Transparenz und die Sicherheit zu erhöhen. Herkömmliche Analysetechniken wie NetFlow verringern in der Regel stark die Durchsatzleistung des Netzwerkgeräts. Daher werden in der Regel nur geringe Teile des Datenverkehrs analysiert, um einen Kompromiss zwischen der Breite der Überwachung und dem damit verbundenen Aufwand zu erreichen.

Nach Aussage des Herstellers stelle Tetration in der gebotenen Breite eine Weltneuheit dar. Möglich mache diese Überwachung eine neue Generation von ASICs, die in Ciscos neuesten Switchen der Nexus 9000er Serie verbaut sind. Dank FlowCache-Funktionen übernehmen diese ASICs die Überwachung und den Export von Netzwerkpaketen, ohne dabei den Switching-Durchsatz zu beeinträchtigen. Neben Sensoren durch die Switch-ASICs bietet der Netzwerkspezialist in der ersten Generation der Überwachungsplattform Tetration auch softwareseitige Sensoren an. Allerdings ist die Liste der unterstützten Betriebssysteme dieser Softwaresensoren noch recht überschaubar: Neben aktuellen Windows-Server-Versionen finden sich Linux-Varianten von Red Hat, CentOS und Ubuntu, andere Distributionen fehlen momentan noch. Die erfassten Daten werden an die Tetration Analytics Platform übermittelt, die sie anschließend über eine Web GUI oder eine offene REST API zur Visualisierung und Weiterverarbeitung anbietet. Die Hardwareanforderungen der Analyseplattform sind beträchtlich und wohl nur für große Unternehmen stemmbar. So besteht die Analyseplattform aus über 30 Servern und drei Nexus-9372PX-Switchen, mit der man bis zu 5000 Endpoints (virtuelle Maschinen oder physische Server) oder bis zu eine Million Flow-Ereignisse pro Sekunde überwachen können soll.

Für Security-Spezialisten war insbesondere die Ankündigung des Defense Orchestrators (CDO) interessant. Er stellt eine Cloud-basierte Managementplattform dar, mit der Nutzer Ciscos Firewalls aus den ASA und ASAv sowie der Firepower Produktfamilie zentral verwalten können – selbst bei tausenden weltweit verteilten Geräten.

Weiter ging es in der Keynote im Bereich Software Defined Networking, ein Thema mit dem Cisco unter anderem mit dem Virtualisierungsspezialisten VMware seit einiger Zeit konkurriert. Cisco DNA (Digital Network Architecture), erstmals im März 2016 vorgestellt, soll Unternehmensnetzwerken eine Rundumerneuerung zukommen lassen, um diese für die geänderten Bedürfnisse des Zeitalters der Digitalisierung fit zu machen. Anstelle von hardwarezentrischen und nur manuell zu verwaltenden Netzwerkinfrastrukturen sieht Cisco die Zukunft in einem offenen und zentral durch Richtlinien automatisierbaren Netzwerk, das auf eine geschickte Kombination von Hardware und zunehmend mehr Softwarefunktionen setzt. Dieser Vision haben sich auch andere Hersteller wie eben VMware verschrieben, der seit der Einführung seiner Software-Defined-Networking-Plattform NSX und dem damit verbundenen Markteintritt als Netzwerkanbieter eine deutlich abgekühlte Beziehung zu Cisco hat.

Die verfügbaren Informationen zu DNA selbst sind von Cisco bewusst recht vage formuliert, da es eine flexible Plattform darstellen soll, auf deren Basis jeder Kunde selbst entscheiden kann, wie die Automatisierungsrichtlinien und die Netzwerkanalyse gehandhabt werden sollen. Auf der Cisco Live hat Robbins eine Reihe von neuen Diensten angekündigt, die die Netzwerksicherheit innerhalb einer DNA-Plattform erhöhen sollen. Dabei soll Umbrella Branch die Sicherheit von Gast-WLANs mithilfe von Content-Filtering-Techniken erhöhen, um das Firmennetzwerk vorsorglich vor Bedrohungen zu schützen. Das ebenfalls angekündigte Stealthwatch Learning Network ist auf Basis der Akquisition des Sicherheitsspezialisten Lancope entstanden, den Cisco 2015 für 452 Millionen US-Dollar übernommen hatte. Stealthwatch kann über eine Softwarelizenz auf Routern der Cisco ISR 4000 Serie aktiviert werden, die damit im Zusammenspiel untereinander Anomalien im Netzwerk erkennen können sollen.

Akquisitionen stellen auch offiziell einen Pfeiler der Strategie von Cisco dar. So hat das Unternehmen seit Chuck Robbins Übernahme vor einem Jahr über 15 Unternehmen aufgekauft, alle davon im Bereich Cloud, Sicherheit, Kollaborationssoftware oder IoT. Nennenswert sind insbesondere Open DNS (Sicherheit und Cloud), CliQr (Hybrid Cloud Management und Orchestrierung) und Jasper (IoT).

Zum Ende der Keynote der Konferenz folgte ein minutenlanger Video-Einspieler, in dem Tim Cook die Teilnehmer über die Fortentwicklung der Zusammenarbeit zwischen Apple und Cisco informierte. Beide Hersteller werkeln an einer Art Überholspur (Fast Lane) für iOS-basierte Geräte auf Ciscos Netzwerkhardware, sodass geschäftskritische Anwendungen netzwerkseitig priorisiert werden können. Zudem arbeitet Apple an einer tieferen Integration von Ciscos Kommunikationsplattform Spark im iPhone und will VoIP-basierte Telefon- und Videoanrufe vereinfachen. (fo)