Der neue Luftkampf

Zahlreiche Firmen von Airbus bis Facebook liefern sich 20 Kilometer über der Erde einen Wettstreit: Wessen unbemannte Fluggeräte werden künftig die Welt fotografieren, bespitzeln und verbinden?

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Von
  • Alexander Stirn

Der Flug mit der Kennung HBAL418 schlägt Haken: ein Kringel über dem US-Bundesstaat Nevada, dann wildes Zickzack an der Grenze zu Idaho, schließlich abruptes Absacken über den Rocky Mountains. Aber kaum einer nimmt davon Notiz. Die bizarren Flugmanöver spielen sich zwischen 65000 und 51000 Fuß Höhe ab. Das sind umgerechnet 19,8 bis 15,5 Kilometer, weit höher als alle Passagierjets und außer Sichtweite für das menschliche Auge.

Aus den Augen, aus dem Sinn? Keine Reaktion könnte bei diesen Flugmanövern unpassender sein. HBAL418 transportiert keine Passagiere. Das ungewöhnliche Flugobjekt ist vielmehr ein Ballon, auf den Weg geschickt vom Internetkonzern Google. Tage-, wochen-, vielleicht sogar monatelang soll er in der Stratosphäre unterwegs sein, hoch über den Wolken, dem Wetter, dem störenden Flugverkehr. Und er ist dabei nicht allein. Auch Facebook, Airbus und Boeing haben die bislang ungenutzten Luftschichten als Ziel entdeckt. Mit Ballons und solarbetriebenen Drohnen wollen sie aus 20 Kilometern Höhe die Menschheit mit Internet versorgen. Sie wollen Luftbilder machen, Grenzen kontrollieren, Pipelines und Getreidefelder überwachen, Katastrophenhilfe koordinieren, dem Militär einen strategischen Vorteil verschaffen. Der Kampf um die Stratosphäre und das damit verbundene Geschäft ist in vollem Gange.

Die Erwartungen sind groß. Die Ballons und Drohnen sollen eine neue Ära begründen – die Ära der Stratosphäre. Vorbild ist der Satellit Sputnik, der einst das Weltraumzeitalter eingeläutet hat: Vor fast 60 Jahren, als der sowjetische Piepmatz startete, war er ein Sonderling. Heute umkreisen 1300 aktive Satelliten die Erde. Sie haben die globale Kommunikation, Navigation und Überwachung revolutioniert.

Ihr Einsatz ist allerdings noch immer teuer und unflexibel. Um eine Tonne Nutzlast in einen niedrigen Erdorbit zu wuchten, verlangen Raketenbetreiber mindestens 2,5 Millionen Euro. Soll ein Satellit 35800 Kilometer Höhe erreichen, damit er über demselben Punkt am Äquator verharren kann, steigt der Preis auf 6,5 Millionen Euro pro Tonne. Ein typischer TV-Satellit kommt schon mal auf fünf Tonnen Gewicht. Hinzu kommen die Baukosten: Ein einfacher TV-Satellit schlägt mit mehr als 300 Millionen Euro zu Buche. Einmal gestartet, sind Kameras, Sendeanlagen und Antennen zudem außer Reichweite. Sie können weder repariert noch aufgerüstet werden.

Drohnen und Ballons lassen sich hingegen günstig produzieren. Sie brauchen zum Start keine teuren und energiefressenden Raketen. Ein paar Menschen oder eine kurze Startbahn reichen. Im Falle eines Defekts oder einer verbesserten Version der Nutzlast können sie einfach ein Zielgebiet oder den nächsten Flugplatz ansteuern. Reparieren, aufrüsten – und weiter geht’s.

Wenn nicht nachgebessert werden muss, sollen die Drohnen monatelang in der Luft bleiben und die Welt von oben beobachten. Verglichen mit Satelliten, die in einer Höhe zwischen 500 und 36000 Kilometern über dem Erdboden ihre Runden drehen, sind die Stratosphärenspäher viel näher dran am Geschehen. Das erlaubt höhere Datenübertragungsraten und schärfere, günstigere Bilder. Während Satellitenaufnahmen etwa 35 Dollar pro Quadratmeter kosten, rechnen Experten beim Unternehmen Titan Aerospace bei Bildern aus der Stratosphäre mit fünf Dollar für dieselbe Fläche. Um das Wetter oder um den Flugverkehr müssen sich die atmosphärischen Satelliten, wie die hochfliegenden Drohnen und Ballons auch genannt werden, trotzdem nicht kümmern. Sie stehen – oder fliegen – buchstäblich über solchen Dingen.

(rot)