Hintergrund: Gute und böse Links

In der Begründung seines Urteils im DeCSS-Prozess hat Richter Kaplan zwischen erlaubten und unerlauben Links auf DeCSS-Sites unterschieden.

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Von
  • Christian Rabanus

Am 17. August knallten bei der Motion Picture Association of America (MPAA) die Korken: Richter Lewis Kaplan vom District Court for the Southern District of New York entschied den Fall MPAA gegen Eric Corley, der unter dem Pseudonym Emmanuel Goldstein die Hacker-Zeitschrift 2600 herausgibt, für die Filmindustrie. Corley hatte über seine Web-Site das Programm DeCSS, das verschlüsselte Filme auf DVDs entschlüsselt auf der Festplatte speichert, verbreitet und Links auf andere Web-Sites bereitgestellt, von denen DeCSS heruntergeladen werden konnte. Beides untersagte ihm das Gericht. Mittlerweile hat die MPAA damit begonnen, weltweit auch andere Betreiber von Web-Sites abzumahnen, die DeCSS verbreiten oder Links auf Sites mit DeCSS bereitsstellen.

Kaplan begründete seine Entscheidung damit, dass es nach dem Digital Millenium Copyright Act (DMCA) verboten sei, Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen. DeCSS sei aber genau für diesen Zweck geschrieben. Also sei die Verbreitung dieses Programms illegal.

Für besonderes Aufsehen sorgte die Auflage des Richters, nicht nur DeCSS nicht zu verbreiten, sondern auch Links auf Web-Sites zu entfernen, über die DeCSS verbreitet wird. Nach Kaplans Rechtsauffassung ist nicht nur die Verbreitung das Programm rechtswidrig, sondern sind auch Links illegal, die zu dem Zweck in eine Web-Seite integriert werden, das Entschlüsselungsprogramm zu verbreiten.

Was an der Entscheidung des Richters bislang wenig Beachtung gefunden hat ist ein Passus, in dem er die Illegalität der Links von Bedingungen abhängig macht. So könnte Corley Web-Sites, über die DeCSS vertrieben wird, dann verlinken, wenn er diesen Link aus anderen Gründen als der Verbreitung der Entschlüsselungssoftware setzen würde. Kaplan erachtet es aber als erwiesen, dass dies gerade bei Corley nicht der Fall sei.

Die Unterscheidung von "guten" und "bösen" Links ist in der Rechtsprechung ein Novum. Kaplan führte sie aus Sorge um die Entwicklung des Webs ein. Wenn ein Web-Site-Betreiber befürchten müsse, dass seine Links auf andere Seiten eventuell illegal sein oder werden könnten, bestünde die Gefahr, dass er im Zweifelsfall auf die Links verzichten würde. Das würde dem World Wide Web schweren Schaden zufügen, da es gerade die Links seien, die das weltumspannende Netz zusammen hielten. Kaplan schreibt daher ausdrücklich, dass sich jemand, der einen Link auf eine Seite mit illegalem Material setzt, dann nicht einer illegalen Handlung schuldig macht, wenn nicht evident ist, dass er a) wusste, dass illegales Material auf der verlinkten Seite ist, b) davon ausging, dass das Material illegal angeboten wurde, und c) den Link setzte, um das illegale Material zu verbreiten.

Nicht alle Juristen sind glücklich mit Kaplans Begründung. Eugene Volokh, Professor für Recht an der University of California Los Angeles (UCLA), befürchtet beispielsweise, dass es bei dieser Rechtsprechung für Ankläger sehr leicht sei zu behaupten, der Beschuldigte hätte bestimmte Konsequenzen beabsichtigt. "Möglicherweise intendierte er etwas, möglicherweise nicht. Das Gericht muss das dann entscheiden, und wer weiß, was es dann machen wird", sagte er in einem Gespräch mit der New York Times. Andere Rechtswissenschaftler halten Kaplans Link-Analyse für "aufdringlich". Viele Leute müssten sich auf Nachforschungen gefasst machen, warum sie bestimmte Links gesetzt hätten.

Aber Kaplans Ausführungen treffen auch auf Zustimmung. So sagte beispielsweise der New Yorker Anwalt Richard Raysman, der auf E-Commerce spezialisiert ist, der New York Times, dass die Unterscheidung zwischen erlaubten und unerlaubten Links sehr vernünftig sei. Mißverstanden könne sie zwar zu großen Problemen führen, aber insgesamt sei es eine gerechtfertigte Differenzierung, lobte Raysman. (chr)