ICRA: Inhaltsfilter fürs Web vorgestellt

Die Internet Content Rating Association (ICRA), eine Initiative unter anderem der Bertelsmann-Stiftung, hat heute zum ersten Mal einen Prototyp ihrer Filter-Software vorgestellt.

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Von
  • Holger Bleich

Die Internet Content Rating Association (ICRA), eine Initiative der Bertelsmann-Stiftung und einiger Internetfirmen, hat heute in Gütersloh den ersten Prototypen ihrer Filtersoftware vorgestellt. Im Rahmen einer Konferenz der Bertelsmann-Stiftung zum Thema Filtersysteme betonte Ola-Kristian Hoff, Direktor von ICRA-Europe, dass man sich gut im selbst gesteckten Zeitplan befinde. Noch im November werde die zweite Phase des Projekts gestartet. Dann soll ein Web-Formular online gehen, mit dem Inhaltsanbieter ihre Sites in Kategorien wie "Sex", "Gewaltdarstellung", "Sprache" oder "Werbung für Zigaretten und Alkohol" freiwillig klassifizieren können. Ein ICRA-Browser-Plugin wertet ein so erstelltes "Etikett" aus und zeigt die Site nur, wenn sie die ausgewählten Filterkriterien des Netznutzers passieren.

Außerdem ist der dieser ICRA-Filter in der Lage, mit so genannten Negativ- und Positivlisten zu arbeiten. Neben dem BKA wollen bisher die Anti-Defamation League und die deutsche Bischofskonferenz ihre Negativlisten zur Verfügung stellen. BKA-Chef Leo Schuster sagte, seine Institution wolle damit beweisen, dass sie mehr sei "als eine repressive Sanktionsmaschine". Er hoffe, das BKA habe mit der Maßnahme "die Eisbrecherfunktion übernommen". Nun wolle er andere Institutionen dazu ermuntern, ebenfalls mit der ICRA zusammen zu arbeiten.

Das von der Europäischen Union mit 650.000 Euro unterstütze Filterprojekt soll in erster Linie dem Jugendschutz dienen. Seit Anfang August läuft ein Feldversuch mit der neuen Software. Bisher seien die Test-Nutzer "zu 90 Prozent" zufrieden, obwohl es sich noch um "Version 0.1" des Filter-Plugins handele, stellte der ICRA-Direktor zufrieden fest. Die endgültige Version soll für den Internet Explorer und für Netscapes Navigator kostenlos verfügbar sein. Sie soll sich vom Nutzer um beliebig viele Negativlisten, die dem ICRA-Format entsprechen, ergänzen lassen. "Außerdem kann man sich dann eigene Blacklists erstellen. Wenn Sie mögen, können Sie alle Eiscreme-Shopsites in die Liste aufnehmen und so Ihren Kindern verbieten, unbeaufsichtigt Eiscreme im Netz zu bestellen.", erläuterte Ola-Kristian Hoff.

Eine neue Liste von Rating-Deskriptoren sorge für absolute Wertneutralität, versicherte Hoff. Die Sitebetreiber müssten jetzt etwa nicht mehr "relativ wenig Nacktheit" angeben, sondern würden dann zum Beispiel die Checkboxen "nackte Brüste" oder "keine nackten Brüste" vorfinden, wenn sie den Inhalt ihrer Seite beschreiben wollen. Wertende Urteile, die auf kulturellen Unterschieden beruhen, würden damit minimiert. Wenn die Betreiber ihre Site klassifizieren, sollen sie ihr Etikett in Form eines von der ICRA-Software lesbaren HTML-Tags bekommen. An diesem Code habe die ICRA alle Rechte, könne also auch dessen Einsatz verbieten, falls die Angaben der Anbieter nicht stimmen sollten.

In Microsofts Web-Editor Frontpage soll das ICRA-Label zukünftig per Mausklick in den Code zu integrieren sein. Der Softwareriese habe Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Laut Hoff wird Microsoft auch dabei behilflich sein, die verschlüsselten Negativlisten sicher in die Software zu integrieren: "In der nächsten Woche fliegen wir deshalb nach Redmond."

Die ungefähr 80 Vertreter von verschiedenen Parteien, Verbänden und Jugendschutzorganisationen, die an der Konferenz teilnahmen, lobten das System nicht nur über den grünen Klee. Das Podium musste sich einige kritische Fragen gefallen lassen. Das Argument etwa, dass diese Art von Vorzensur der Eltern gegenüber ihren Kindern doch nur die Lust am Verbotenen steigere, wussten die ICRA-Vertreter nicht zu entkräften. Skepsis war bezüglich der Sicherheit von frei verfügbaren Blacklists zu hören. Zu oft schon seien diese Listen geknackt und ins Gegenteil verkehrt worden, indem sie als Linkliste frei zugänglich im Internet geworden seien, monierte Friedemann Schindler von Jugendschutz.net. (hob)