Von einem, der auszog, das Scannen zu fürchten

3D-Druck mache den Konsumenten zum Produzenten, heißt es oft. Doch wie weit kommt man als Laie wirklich, wenn man ein konkretes Problem lösen möchte? Unser Autor hat es ausprobiert.

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Um die Scheibe meines Motorrads zu verstellen, muss ich jedes Mal zehn Schrauben lösen. Zugegeben: kein wirklich gravierendes Problem, aber lästig. In meinem Kopf formen sich deshalb Schnecken, Schienen und Rändelmuttern zu einem stufen- und werkzeuglos verstellbaren Scheibenhalter. Jetzt muss ich die Idee nur noch in ein CAD-File übersetzen und ausdrucken lassen. In einem Anfall von Selbstüberschätzung mache ich mich an die Arbeit – auch um zu schauen, wie weit ich als Laie komme.

Schritt eins: Ich brauche eine CAD-Datei des Originals, damit ich sie dann am Rechner umbauen kann. Auf der Webseite 3dcadbrowser.com gibt es tatsächlich ein digitales Modell meiner gesamten Maschine, zusammengesetzt aus 13044 Polygonen. Klingt nach viel, ist aber für meine Zwecke viel zu grob.

Also muss ich den Halter wohl selbst am Rechner nachbauen. Ein kostenloses und einfaches Konstruktionsprogramm ist schnell installiert – 123D Design von Autodesk. Nach ein paar Video-Tutorials und reichlich Herumprobieren habe ich meine erste Konstruktion fertig: eine Bohrung mit sechseckiger Aussparung zum Versenken eines Schraubenkopfs. Halleluja!

Nach dieser Fingerübung wende ich mich wieder dem Scheibenhalter zu. Oha! Das Ding ist bei näherem Hinsehen doch deutlich komplexer als gedacht. Diese Geometrie muss ich exakt nachbilden, damit die Bohrungen später passen. Nach einigem Herumdilettieren komme ich zur Erkenntnis: So wird das nie was.

Und überhaupt: Warum soll ich mir einen Wolf konstruieren, wo es doch 3D-Scanner gibt? Sie arbeiten praktisch alle nach dem gleichen Prinzip: Ein Laser projiziert ein Streifenlichtmuster mit sichtbarem oder infrarotem Licht auf das Objekt. So treten bei gleichförmigen Gegenständen die Konturen besser hervor. Kameras errechnen daraus die Tiefeninformation.

Profigeräte kosten allerdings fünfstellige Beträge, und der Markt für Consumer-Produkte ist überschaubar. Für rund 650 Euro gibt es einen Scanner des kanadischen Herstellers "Matter and Form". Dabei dreht sich das Objekt auf einem Teller, während Laser und Kamera an einer Schiene auf und ab fahren. Leider passen maximal Objekte von knapp 20 Zentimetern Durchmesser auf den Drehteller – für meinen Scheibenhalter reicht das nicht.

Also probiere ich einen Handscanner von Cubify aus, der etwa 400 Euro kostet. Seine Technik stammt aus der ersten Generation von Microsofts Spielkonsolensteuerung Kinect: Eine Infrarotlampe projiziert ein Lichtmuster auf ein Objekt, zwei Kameras ermitteln daraus die räumliche Tiefe. Langsam umkreise ich die Halterung, doch immer wieder verliert die Software den Faden und meldet: "Lost Tracking".

Entnervt gebe ich auf und versuche es mit einem Handscanner von XYZprinting (rund 200 Euro). Er besitzt einen RealSense-Sensor von Intel, der ebenfalls mit Infrarotlicht arbeitet – und die gleichen Symptome zeigt: Egal wie langsam ich das Objekt umkreise, irgendwann friert das Bild ein, und ich muss von vorn beginnen. Was der Scanner bis dahin eingefangen hat, ist ein unbrauchbarer Polygonverhau. Der Scan eines Tackers gleicht beispielsweise einem verwesenden Pottwal-Schädel. Insgesamt macht der Cubify dagegen noch eine halbwegs gute Figur. Also wieder eine Sackgasse. Na ja, einen Versuch war's wert.

Offenbar sollte ich den Scan doch lieber Profis überlassen. Ein solcher Dienstleister ist schnell ergoogelt. Ich entscheide mich für ein Ingenieurbüro mit mehreren Standorten in Deutschland und lasse mir ein Angebot machen. Als es ankommt, muss ich schlucken: "Erstellung von optischer 3D Vermessung (3D Scan), Erstellung eines Datensatzes im STL Format: 240 Euro. Reverse-Engineering aus 3D-Scan, Ausgabe als Volumenkörpermodell: 780 Euro." Macht also gut einen Tausender, zuzüglich Mehrwertsteuer. Weitaus mehr als der Scan selbst kostet dabei die Aufbereitung der Daten.

So viel ist mir der Scheibenhalter dann doch nicht wert, und ich beende das Experiment. Dabei bin ich zu den wirklich spannenden Bereichen – dem Umkonstruieren und dem Ausdrucken – gar nicht vorgedrungen. Aber solange es keinen exakten und erschwinglichen 3D-Scanner gibt, bleiben die Möglichkeiten des 3D-Drucks für Normalverbraucher wie mich beschränkt.

Immerhin sollen demnächst einige neue 3D-Scanner auf den Markt kommen. Im Sommer will Matter and Form etwa einen Smartphone-Aufsatz namens Bevel an die ersten Kickstarter-Unterstützer ausliefern: einen kleinen Laser für 80 Dollar, der in die Kopfhörerbuchse gesteckt wird und ein Lichtmuster abstrahlt. Den Rest macht das Smartphone selber. Die Beispielbilder auf der Webseite sehen allerdings recht grobschlächtig aus.

Genauer verspricht der Eora-3D-Scanner zu werden. Er beruht ebenfalls auf einem Kickstarter-Projekt und arbeitet mit dem Smartphone zusammen. Allerdings ist das Gerät so groß wie eine Getränkedose und überragt das angeklippte Mobiltelefon deutlich. Dafür soll es aber bis zu 50 Mikrometer genau und damit für technische Anwendungen geeignet sein. Leider ist es derzeit nur zu fünf Android- und vier iOS-Geräten kompatibel. Mitte des Jahres soll es für knapp 300 Dollar erhältlich sein.

Fest eingebaute 3D-Scanner besitzen zwei Smartphones, die Intel und Lenovo Anfang des Jahres vorgestellt haben. Sie wurden im Rahmen von Googles "Project Tango" entwickelt. Das Intel-Gerät benutzt den gleichen RealSense-Sensor wie der Handscanner von XYZprinting, dürfte also kaum mehr leisten. Es ist als Entwicklerversion für 400 Dollar vorbestellbar. Das Lenovo-Smartphone arbeitet mit einem Tiefensensor des isrealischen Unternehmens Mantis Vision und soll im Sommer für unter 500 Dollar erscheinen.

Deutlich günstiger dürfte es mit der für März angekündigten Open-Source-Software des Kaiserslauterner Start-ups 3Digify gehen. Sie macht aus zwei Kameras und einem Beamer zur Streifenlicht-Projektion einen hochauflösenden 3D-Scanner. Voraussetzung: Das Objekt sollte nicht zu verwinkelt oder stark spiegelnd sein. Dabei tun es schon einfache Webcams. Je höher aber die Auflösung der Kameras, desto genauer der Scan. Vielleicht wird es mit dem Scheibenhalter dann doch noch mal was. (grh)