Kritik an Sicherheitsoffensive des Innenministers: Lasche Maßnahmen, gefährliche Placebos

Mehr Internet- und Videoüberwachung, schnellere Abschiebungen, mehr Bundespolizei: Der Maßnahmenkatalog von de Maizière ist Unionspolitikern viel zu lasch, während die Opposition ihn als Symbolpolitik und gefährliche Schürung von Unsicherheit kritisiert.

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(Bild: freeimages.com<br>)

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Von
  • Jürgen Kuri
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Nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag seine neue Sicherheitsoffensive verkündet hat, gibt es Unterstützung vom Koalitionspartner SPD. Nicht weit genug geht das Paket dagegen einigen Politikern aus des Innenministers eigenen Reihen – während die Opposition im Simulationspolitik vorwirft und die FDP gar kritisiert, die Union heize lediglich das Unsicherheitsgefühl im Land an.

Im Zentrum des Maßnahmenpakets des CDU-Politikers steht im Lichte der Anschläge in Würzburg und Ansbach sowie des Münchner Amoklaufs eine verschärfte Internetüberwachung. Generell spielt die IT eine große Rolle bei den Vorschlägen des Ministers. Auch sollen etwa Gefährder schneller inhaftiert und abgeschoben werden können. De Maizière kündigte auch eine weitere personelle Verstärkung der Sicherheitskräfte an, und zwar "in mittlerer vierstelliger Größenordnung über mehrere Jahre".

SPD-Chef Gabriel sagte: "Die SPD ist bereit, über alles zu reden, was dazu beiträgt, die Sicherheit weiter zu erhöhen." Es sei wichtig, dass sich der Innenminister klar gegen Aktionismus ausgesprochen habe. "Das war eine Ohrfeige für die Scharfmacher in der CDU/CSU", sagte Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

De Maizière hatte Rufe aus der Union nach einem Burka-Verbot und der Abschaffung der doppelten Staatsangehörigkeit zuvor zurückgewiesen. Ein generelles Verbot der Vollverschleierung halte er für verfassungsrechtlich problematisch. "Man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt, und ich lehne das Tragen der Burka ab." Reden könne man über Regeln etwa im Straßenverkehr oder für Zeugen vor Gericht.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière: "Wir sollten bei den Regelungen bleiben, die wir haben und nicht neuen Unfrieden in unser Land bringen mit einer so sehr spaltenden Diskussion."

(Bild: Bundesinnenministerium)

Grünen-Chefin Simone Peter warf dem Minister vor, er wolle mit immer neuen Anti-Terror-Paketen Tatkraft und Handlungsfähigkeit simulieren. Linken-Parteichef Bernd Riexinger sagte: "Flotte Sprüche und eine Verschärfung des Aufenthaltsrechts bringen den Menschen in diesem Land nicht mehr Sicherheit."

Ganz anders als die Opposition sehen das manche Parteikollegen de Maizières. Die CDU-Innenminister der Bundesländer hatten zuvor schon schärfere Maßnahmen wie ein Verbot der Vollverschleierung und eine Erweiterung der Vorratsdatenspeicherung gefordert. Auf die gespeicherten Verbindungsdaten sollen demnach auch die Geheimdiensten Zugriff erhalten.

Und der CDU-Politiker Christian von Stetten hält die geplanten schärferen Sicherheitsgesetze für unzureichend. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion machte dafür vor allem den Koalitionspartner verantwortlich. "Dass die SPD-Regierungsmitglieder nicht mehr Maßnahmen zugelassen haben, ist beschämend", sagte er der Stuttgarter Zeitung.

"Unsere Bürgerinnen und Bürger werden einen wankelmütigen Staat, der Parallelgesellschaften zulässt und aus falsch verstandener Toleranz vor drastischeren Maßnahmen zurückschreckt, nicht akzeptieren", sagte von Stetten. Er sprach sich unter anderem ebenfalls für ein Burka-Verbot aus. Zu Jahresbeginn hatte von Stetten als einer der größten Kritiker der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Union gegolten. Für ein Burka-Verbot sprachen sich in der Bild-Zeitung unter anderen auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner und Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) aus.

Der Innenminister will auf solche Forderungen nicht eingehen. "Wir sollten bei den Regelungen bleiben, die wir haben und nicht neuen Unfrieden in unser Land bringen mit einer so sehr spaltenden Diskussion", sagte de Maizière in den ARD-Tagesthemen". Seine Vorschläge habe er nicht als Parteipolitiker gemacht, sondern "ich habe Vorschläge vorgelegt, von denen ich glaube, dass sie für unser Land gut sind, dass sie für unseren Koalitionspartner politisch zumutbar und zustimmungsfähig sind, und das stand im Mittelpunkt".

Besonders scharfe Kritik kam aus den Reihen der FDP. Gefährliche Placebos nannte Vize-Parteichef Kubicki die Forderungen aus der Union zur inneren Sicherheit. Aus Sicht des Kieler Fraktionschefs will die CDU von eigenem Versagen ablenken. Dieser Weg sei gefährlich. "Mit ihren Vorschlägen erweckt die Union den definitiv falschen Eindruck, mit den Maßnahmen könnte die innere Sicherheit gestärkt werden", sagte Kubicki gegenüber dpa. Mit diesen Forderungen heizten CDU und CSU das Unsicherheitsgefühl der Menschen auf eine gefährliche Weise an.

"Das ist ganz offensichtlich die Angst der Union, weiter Wähler zu verlieren, und es ist der Versuch, vom Versagen während der Flüchtlingskrise abzulenken", sagte Kubicki. "Erst lässt Kanzlerin Angela Merkel Hunderttausende unregistriert ins Land kommen und nun will die Union mit Placebos die Gefahr bekämpfen, die sie selbst herbeigeführt hat. Diesen unreflektierten Schlingerkurs kann niemand mehr logisch erklären."

Die Union sei mit ihren jüngsten Vorschlägen auf einem sehr gefährlichen Weg, sagte Kubicki. Dauernd zu sagen, was man alles mehr brauche, erzeuge bei den Menschen ein Gefühl der Unsicherheit. "Wenn man darüber redet, man müsse die Bundeswehr im Innern einsetzen, muss doch die Bedrohung riesengroß sein. Damit suggerieren die Unions-Innenpolitiker, dass nur noch militärische Maßnahmen Frieden in Deutschland erhalten könnten."

Die Frage der inneren Sicherheit habe mit der doppelten Staatsbürgerschaft überhaupt nichts zu tun, sagte Kubicki. Die Forderung, den Doppelpass abzuschaffen, sei untauglich und sehr populistisch. "Illoyalitäten richten sich nicht am Pass aus, sondern an der inneren Einstellung – keiner der Attentäter hatte eine doppelte Staatsbürgerschaft."

Absolut unsinnig sei zudem die Absicht, die Vorratsdatenspeicherung wieder auszuweiten und dem Geheimdienst Zugang zu den Daten zu verschaffen. "Auch Attentate, wie sie in Frankreich, Belgien und nun auch in Deutschland passiert sind, können damit nicht verhindert werden." (mit Material von dpa) / (jk)