Kampf gegen Robocalls: US-Regulierer setzt 60 Tage-Frist

Wut über automatische Spam-Anrufe (Robocalls) lässt die US-Telekommunikationsregulierer Druck ausüben: Wenn die Branche nicht bald selbst gemeinsame Maßnahmen ergreift, wollen sie neue Vorschriften erlassen.

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War früher alles besser?

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Auf der CES zeigte sich FCC-Chef Wheeler noch zu Scherzen aufgelegt. Am gestrigen Freitag war das ganz anders.

(Bild: Daniel AJ Sokolov )

Gerade einmal 60 Tage geben US-Regulierer ihrer Telekommunikationsbranche, um Lösungen zur Eindämmung unerwünschter automatischer Anrufe ("Robocalls") auszuarbeiten. Der üblicherweise gesetzt auftretende Chef der Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission), Tom Wheeler, verbarg seine Wut am gestrigen Freitag nicht: "Über 200.000 [Beschwerden pro Jahr bekommt] die FCC zu diesem Problem", betonte er in einer Live-Übertragung, "Die Amerikaner sind zu Recht über diese Geißel angefressen. Es ist ein Eindringen in die Privatsphäre, voller Betrug und Identitätsdiebstahl."

Gegenmaßnahmen einzelner Netzbetreiber haben das Problem ebenso wenig lösen können wie die Einführung einer offiziellen Do-Not-Call-Liste, in die US-Anschlussinhaber ihre Telefonnummern eintragen können. Jetzt reicht es der FCC. Sie macht Tempo und hat eine Arbeitsgruppe namens Robocall Strike Force initiiert.

Diese wird vom Chef des Telekommunikationskonzerns AT&T, Randall Stephenson, geleitet. In mehreren Untergruppen sollen Netzbetreiber, Netzdesigner, Ausrüster, Software-Anbieter und Service-Betreiber sich auf gemeinsame Lösungen einigen. Gelingt das nicht, droht die FCC mit Regulierungsmaßnahmen, "Denn. Diese. Geißel. Muss. Enden.", so Wheeler.

Die FCC reguliert als unabhängige Behörde im Auftrag des US-Kongresses den Telekommunikationsverkehr in allen 50 Bundesstaaten.

Er gibt der Branche vier Ziele vor: Erstens sollen Anrufer auch schon an den Gateways identifiziert werden. Zweitens gilt es offene Schnittstellen zu schaffen, damit Dritte Filterlösungen anbieten können. Drittens ist ein Katalog von Forderungen an Regulierungsbehörde und Gesetzgeber zu erstellen. Viertens bedarf es eines Netzbetreiber-übergreifenden Ansatzes: "Das könnte eine Do-not-originate-Liste sein", nannte Wheeler eine Blacklist als Möglichkeit, "Aber vielleicht finden Sie eine bessere Lösung." Perfekt müssen die Ansätze ausdrücklich nicht sein. Wichtiger ist für Wheeler, dass schnell etwas auf die Beine gestellt wird, das später verbessert werden kann.

AT&T-Chef Stephenson hat unter anderen Apple, Comcast, Level 3, Nokia, Samsung, Sprint und Verizon für die Mitarbeit gewinnen können. Am Freitag fand in Washington, DC, die erste Sitzung der Robocall Strike Force statt. Von nun an werden deren Untergruppen mindestens zweimal pro Woche tagen. Außerdem möchte der Vorsitzende, dass alle Beteiligten Druck auf die Standardisierungsgremien ausüben, um die Ausarbeitung von Standards zur Anrufer-Identifikation zu beschleunigen. Das würde sich weltweit auf die Telekommunikationsnetze auswirken.

Das Problem der Robocalls ist in Nordamerika besonders gravierend, weil die Kosten für Anrufende minimal sind. In Europa muss typischerweise jener Netzbetreiber, von dem ein Anruf ausgeht, demjenigen Netzbetreiber etwas zahlen, der den Anruf entgegennimmt – das sogenannte Terminierungsentgelt. In Nordamerika hingegen verrechnen die Netzbetreiber untereinander normalerweise keine Terminierungsentgelte. Dafür muss bei Mobilfunkanschlüssen oft der Angerufene zahlen, selbst wenn der Anruf unerwünscht war.

Hinzu kommt der technische Wandel weg von TDM-Netzen hin zu VoIP-Telefonie. Dabei ist es ähnlich wie bei E-Mail oder einem Briefkuvert sehr einfach, beliebige Absenderdaten (Caller ID) anzugeben. Das ist praktisch, etwa wenn man etwaige Rückrufe unter einer bestimmten Nummer sammeln möchte, eröffnet aber auch Betrügern neue Möglichkeiten.

(Bild: Mike Licht CC-BY 2.0)

Neben legalen Robocalls, wie etwa Unwetterwarnungen, Verständigung über Schulschließungen, Erinnerungen an Arzttermine oder auch Werbeanrufen, denen der Anschlussinhaber zuvor zugestimmt hat, gibt es Lawinen illegaler Anrufe. "Sie hören eine Aufnahme, die behauptet, von der Steuerbehörde zu sein", nannte Commissioner Ajit Pai ein Beispiel, "'Sie werden verhaftet, wenn Sie nicht sofort zahlen!', sagt der Anrufer."

Auch andere angebliche oder echte Schulden sollen durch wiederholte nervende Anrufe eingetrieben werden. Versprochene Gewinne, oft unter Missbrauch fremder Firmennamen, sollen die Menschen zur Herausgabe ihrer Daten bewegen. Berühmt sind auch Versuche, anderen Parteien zugeschriebene Wähler zu verwirren. Das mögen falsche Angaben über Wahllokal oder Wahltermin sein, oder im Namen eines anderen Kandidaten verbreitete, unpopuläre "Forderungen".

Das Ausmaß lässt der Dienst Nomorobo erahnen. Er setzt auf "paralleles Läuten". Anrufe zu entsprechend angemeldeten VoIP-Anschlüssen und Mobiltelefonen werden gleichzeitig auch zu einem Nomorobo-Server geleitet. Dieser versucht, anhand von Caller ID und Anrufaufkommen zu erkennen, ob es sich um einen unerwünschten Robocall handelt. Gegebenenfalls hebt der Server schnell ab, womit beim eigentlich Angerufenen das Klingeln endet. Zulässige Robocalls, so verspricht der Anbieter, werden durchgelassen.

Nomorobo ist aus einem 2013 durchgeführten Wettbewerb der US-Handelsbehörde FTC (Federal Trade Commission) hervorgegangen. Der Dienst kostet für Mobiltelefonbesitzer fünf US-Dollar monatlich. Daher, und weil Nomorobo noch im Beta-Stadium ist, gibt es aktuell nur etwa 9.700 Nutzer. Dennoch hat Nomorobo den eigenen Angaben zufolge schon mehr als 126 Millionen Anrufe gestoppt. Die Datenbank soll knapp 300.000 Robocaller kennen. (ds)