Kommentar: Mobile Menschen fahren Rad - wann folgt die Politik?

Die Eurobike beweist es gerade wieder: Umweltfreundliche und menschengerechte Nahmobilität mit Fahrrad ist der Renner, ob ohne oder mit Elektromotor. Öffentliche Zuschüsse gibt es aber praktisch nur für den Autoverkehr, kritisiert Bert Ungerer.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1510 Kommentare lesen
Kommentar: Die Eurobike radelt voran - wann folgt die Politik?

(Bild: Bert Ungerer)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Bert Ungerer

Radfahren ist in, ob mit oder ohne elektrischen Zusatzantrieb. Das zeigt seit 25 Jahren die Eurobike: Die derzeit stattfindende Fahrradmesse in Friedrichshafen am Bodensee platzt förmlich aus den Nähten. Das verdankt sie nicht nur Konsumenten auf der Suche nach Freizeitbeschäftigungen. Immer mehr Menschen wollen im Alltag möglichst flott, ohne Stau und Parkplatzsuche von A nach B gelangen, und die Bedeutung des Autos als repräsentatives Eigentum schwindet. Besonders der Handel mit elektromotorisierten Fahrrädern brummt: Bereits über 2,5 Millionen sollen über Deutschlands Straßen rollen; jährlich werden mehr als 500.000 aus den Läden geholt.

Ein Kommentar von Bert Ungerer

Bert Ungerer, iX-Redakteur, textet seit einigen Jahrzehnten für heise, fährt fast nur Fahrrad und wundert sich immer wieder, dass dieses geniale Verkehrsmittel so wenig Förderung erfährt.

Nicht in Gang kommt jedoch die deutsche Radverkehrspolitik. Der Besuch Angela Merkels auf der Eurobike 2013 oder auch eine erstmalige beiläufige Erwähnung des Radverkehrs im neuen Bundesverkehrswegeplan (neben Rekord-Etats für mehr Autoverkehr) können bestenfalls als Hoffnungsschimmer gewertet werden. Nachdem das Volk längst mit den Pedalen darüber abgestimmt hat, wie es sich gesunde, alltagstaugliche Elektromobilität vorstellt, fördert die Bundesregierung demonstrativ die Autoindustrie: mit einer Kaufprämie für Wohlhabende, die sich für den Stadtverkehr einen Drittwagen mit Elektromotor und – aufgrund des fossil dominierten Strom-Mixes – verheerender CO2-Bilanz zulegen wollen.

Verheerend ist auch der Zustand der Radinfrastruktur in Deutschland. Wenn Kommunen überhaupt etwas dafür tun, die rasch wachsende Nachfrage nach Radverkehrsflächen zu befriedigen, experimentieren sie oft nur mit Farbe und allerlei Streifen auf den Fahrbahnen, die weder Falschparker abhalten noch Unsichere zum Umsteigen aufs Rad motivieren. Dabei kann man sich in der niederländischen Nachbarschaft anschauen, wie erfolgreiche Radverkehrsplanung funktioniert, wie man Kinder und Alte, Berufspendler und Erholungssuchende, Lieferanten und Kunden gleichermaßen und massenhaft zum Radfahren bringen kann: Mit richtiger Infrastruktur und ganz ohne furchteinflößende Helmkampagnen.

Hiesige Entscheider aus Politik und Verwaltungen räkeln sich offenbar davon unberührt in ihren dieselgetriebenen Dienstwagen. Doch mit der Ignoranz könnte es bald vorbei sein. Die Fahrradmesse zeigt diesmal nicht nur schicke Produkte, sondern setzt auch ein politisches Zeichen: Ein Eurobike-Award geht an eine Radverkehrsinitiative. Aus der Begründung: "Der Volksentscheid Fahrrad in Berlin ist weltweit einzigartig, denn erstmals zwingen Bürger die Politik, massiv in die Radinfrastruktur zu investieren." Das ist schon mehr als ein Hoffnungsschimmer und wird den einen oder anderen Autofan in Bund, Ländern und Kommunen möglicherweise zum Nachdenken über Verkehrskonzepte anregen, die unsere Städte wieder lebenswerter machen. (un)