Big Data im US-Wahlkampf: Trump-Anhänger essen nur ungern vegetarisch

"Politik wird ein Datengeschäft", ist sich Meinungsforscher Douglas Rivers sicher. Schon jetzt hätten Marktauguren in den USA etwa Informationen zur Hand, welches Essen Wähler bevorzugten. Vorhersagen über Wahlergebnisse würden aber schwieriger.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 51 Kommentare lesen
Trump an Rednerpult mit ausgestrecktem Zeigefinger

Hillary Clinton

(Bild: C-SPAN)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der gläserne Wähler ist in den USA schon weitgehend Realität. "Wir haben Daten, welches Essen Wähler bevorzugen", erklärte Douglas Rivers, Gründer und Chefwissenschaftler des Marktforschungsinstituts YouGov am Dienstag bei einer Diskussion über "Big Data in der politischen Meinungsbildung" in Berlin. Die Informationen ließen sich auch unterteilen nach Anhängern der verschiedenen Präsidentschaftskandidaten. Befürworter des republikanischen Herausforderers Donald Trump etwa "essen fast nie französisch oder vegetarisch, aber dafür mexikanisch und chinesisch".

Basis für die schöne neue Transparenzwelt im laufenden US-Wahlkampf sind laut Rivers vor allem "lasche Datenbestimmungen". In den Vereinigten Staaten müssen sich Interessenten zunächst in ein Wählerverzeichnis bei ihren Kommunen mit Stamminformationen wie Geschlecht oder Alter eintragen. Diese dürfen von Meinungsforschern gefleddert und mit Angaben etwa aus Verbraucherdatenbanken, Telefonumfragen, Vereinsmitgliedschaften, Protokollen von Internetsitzungen oder Analysen des Nutzerverhaltens in sozialen Netzwerken ergänzt werden.

Die kulinarischen Vorlieben der US-Wähler

(Bild: heise online/ Stefan Krempl)

"Es eröffnen sich große Möglichkeiten, Daten für politische Zwecke zu verwenden", weiß Rivers. Es gehe aber weniger um das Wissen, dass voraussichtliche Wähler von Hillary Clinton häufiger außerhalb der USA verreisten als Trump-Anhänger. Viel entscheidender sei es für die Kampagnenmacher, Leute zu identifizieren, die noch unentschieden sind, ob sie überhaupt wählen gehen wollen. Zunehmend wichtig dafür würden soziale Medien: Dort könne man mit unterschiedlichen Werbebotschaften testen, ob sich Meinungen änderten. Eine derart effektive Wirkungsmessung sei bisher kaum zu leisten gewesen.

"Daten helfen herauszufinden, wer Wechselwähler sein könnte und gezielt angesprochen werden sollte", pflichtete Julius van de Laar Rivers prinzipiell bei. Der Strategieberater betreute die digitalen Wahlkämpfe von Barack Obama. Wenn Clinton etwa ihr ganzes Wahlkampfgeld in Texas investierte, wo die Republikaner generell stark seien, würde dies nichts bringen. Erfolgversprechender sei es, sich auf Bundesstaaten wie Ohio oder Pennsylvania zu fokussieren, wo die Rennen traditionell eng ausgingen und die ein oder andere mobilisierte Stimme entscheidend sein könne.

Er und andere Wahlstrategen wüssten über ein Drittel der US-Bevölkerung ungefähr Bescheid, ob sie zur Wahl gehen und für wen sie vermutlich das Kreuz machen werden, führte van de Laar aus. Es gebe zumindest bei der Clinton-Kampagne sicher einen "Score-Wert" dafür, wie hoch die entsprechende Wahrscheinlichkeit sei und wann man im Vorfeld am besten telefonisch erreicht werden könnte. An den letzten Tagen vor der Wahl gingen dann noch tausende Freiwillige von Tür zu Tür und ermunterten als mögliche Clinton-Wähler identifizierte Leute, von ihren Möglichkeiten als Staatsbürgern Gebrauch zu machen. Dazu komme ein vergleichbarer Werbeterror über Facebook & Co.

Im finalen Entscheidungskampf geht es laut dem Experten für Wählermobilisierung in den sogenannten unberechenbaren "Swing States" um "vier oder fünf Prozent". Letztlich zähle aber "der Kandidat" und die von ihm vertretenen Ideen. So sei Trump etwa ohne vergleichbare Big-Data-Analysen wie bei der Clinton-Kampagne dahin gekommen, wo er nun stehe.

Julius van de Laar (li), Douglas Rivers (Mitte) und Moderator Brent Goff

(Bild: heise online/ Stefan Krempl)

Wahlvorhersagen, um die sich in den USA etwa das Portal Five Thirty Eight bemüht, werden dem Stanforder Politikwissenschaftler zufolge trotz Big Data nicht einfacher. Schuld daran sei, dass es immer weniger Haushalte mit Festnetzanschluss gebe und viele Nutzer auf dem Mobiltelefon nicht für Meinungsumfragen offen seien. So müsse man verstärkt auf Online-Umfragen setzen, bei denen es aber Probleme mit der Repräsentativität gebe. Persönlich wagte er die Prognose, dass es Clinton ganz knapp schaffen werde.

Insgesamt zeigte sich Rivers überzeugt, dass "Politik ein Datengeschäft wird". In Deutschland behinderten strenge Datenschutzregeln diesen Trend zwar teils noch. Aber hierzulande sei es ja nicht nur als Meinungsforscher schwieriger als in den USA, "reich zu werden". Generell werde man die geschilderten Verfahren, mit denen Wähler bis ins Detail ausgeleuchtet werden, häufiger im Einsatz sehen. Auch "kleine Daten" gezielt einzusetzen, könne sich auszahlen, fügte van de Laar mit Blick auf hiesige Möglichkeiten hinzu. So sei es etwa ratsam, vor einem Mailing zunächst alternative Überschriften oder Bilder im kleineren Kreis zu testen. (mho)