Berührungsloser Blick ins Buch

MIT-Forscher arbeiten an einer neuen Methode, mit der sich antiquarische Werke einlesen lassen, ohne dass diese angefasst werden müssen.

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Es klingt ein bisschen wie Science-Fiction: US-Forschern ist es gelungen, ein Buch zu scannen, ohne es aufschlagen zu müssen. Dazu nutzten die Wissenschaftler um Barmak Heshmat vom Media Lab des Massachusetts Institute of Technology Terahertzwellen, wie sie auch für Sicherheitsscanner an Flughäfen verwendet werden. Diese Technik steht mittlerweile auch in Deutschland auf zahllosen Airports.

Wie Heshmat und sein Team schnell zeigen konnten, erzeugen bedruckte oder beschriebene Stellen ein anderes Terahertz-Echo als blankes Papier. Doch woher kann der Scanner wissen, von welcher Buchseite welche Reflexionen stammen? Dazu sandten die Forscher Terahertzwellen in derart kurzen Impulsen aus, dass sich aus der Laufzeit des Signals die zurückgelegte Distanz ermitteln ließ.

Alter Bücher lassen sich häufig nicht zerstörungsfrei lesen.

(Bild: MIT)

Terahertzwellen sind auf dem elektromagnetischem Spektrum zwischen Mikrowellen und infrarotem Licht angesiedelt. Sie haben gegenüber Röntgen und anderen Verfahren den Vorteil, dass Substanzen ihre verschiedenen Frequenzen unterschiedlich aufnehmen, was sich als Echo dann wieder detektieren lässt.

Ein von den Wissenschaftlern entwickelter Algorithmus kann in Verbindung mit der Information, wie dick die einzelnen Seiten sind, dann die Reflexionen den einzelnen Seiten zuordnen. Ein Bilderkennungsverfahren, das auch über eine Wortdatenbank verfügt, filtert anschließend die durchscheinende Schrift der anderen Seite heraus.

Schritt für Schritt tasten sich die Terahertz-Strahlen nach vorne.

(Bild: MIT)

Das Verfahren ist laut Heshmat so gut, dass es auch sogenannte Captchas knacken kann, also Buchstabencodes, die zum Schutz von Websites eingegeben werden müssen und normalerweise nur vom Menschen entziffert werden können. "Das ist geradezu beängstigend."

Die Methode könnte irgendwann helfen, sehr empfindliche Bücher zu digitalisieren, ohne sie zu beschädigen. Bislang funktioniert das Verfahren allerdings nur mit einer Tiefe von bis zu neun Seiten, da die reflektierten Frequenzsignaturen darüber hinaus zu viel Rauschen liefern. Mit besseren Detektoren und Terahertzquellen könnte sich das aber in Zukunft ändern, glauben die Forscher um Heshmat.

Forscher Barmak Heshmat beim Feintuning.

(Bild: privat / MIT)

Interesse von musealen Einrichtungen für die Technik gibt es bereits. "Das Metropolitan Museum in New York interessiert sich sehr für das Verfahren", sagt Heshmat. "Es gibt antike Bücher, die sie selbst nicht berühren wollen." Denn die raren Werke könnten beim ersten Anfassen oder gar umblättern schlicht zerfallen. Trotzdem wollen Antikenforscher natürlich wissen, was in den alten Büchern steht.

Das Verfahren von Heshmat und Kollegen eignet sich aber nicht nur für Bücher. Es könnte auch zur Analyse von Materialien verwendet werden, die aus dünnen Schichten bestehen, wie etwa Medikamente oder Beschichtungen. Bislang könnten Terahertzscanner solche Materialien zwar durchleuchten, sind aber nicht genau genug für industrielle Anwendungen in kleinstem Maßstab. Noch ist unklar, wann die Technik kommerziell verfügbar sein könnte – aktuell sind die MIT-Media-Lab-Forscher noch im Konzeptbeweisstadium ihrer Erfindung, das noch einige Jahre anhalten könnte. (bsc)