RISpace: Wie kommt der Satellit (möglichst günstig) in den Orbit?

Die Startkosten sind noch zu hoch – so kann das Satellitengeschäft nicht richtig in Gang kommen, erklärt ein Panelteilnehmer der Konferenz RISpace. An der Lösung dieses Problems arbeiten viele Firmen. Andere warnen davor, einem Hype aufzusitzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 137 Kommentare lesen
Trägerrakete mit Satellit

(Bild: dpa, Israeli Defense Ministry/Archiv- und Symbolbild)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Die Aufbruchstimmung ist unverkennbar. Bis zum Jahr 2025 könnten 3600 Kleinsatelliten in den Erdorbit gebracht werden, schätzte Maxime Puteaux von der Beratungsfirma Euroconsult bei der Konferenz Reinventing Space in London. Das damit verbundene Marktvolumen für die Trägersysteme bezifferte er mit 22 Milliarden US-Dollar. Zwei Drittel dieser Satelliten würden als Konstellationen fliegen, 97 Prozent davon in einer niedrigen Umlaufbahn (LEO). Die treibenden Kräfte dafür seien die globale Vernetzung sowie die Nachfrage nach Erdbeobachtungsdaten mit hohen Wiederholungsraten.

Die Entwicklung zu kleinen Satelliten in der Größenklasse unter 500 Kilogramm zeichnet sich seit drei Jahren deutlich ab. Aber wie kommen die Dinger nach oben? Das sei nach wie vor ein Problem, sagte Puteaux. Die Startkosten müssten sinken, um das Satellitengeschäft voranzubringen.

(Bild: Bloostar)

Immerhin arbeiten derzeit mindestens 37 Firmen an einer Lösung dieses Problems, wie Carissa Christensen (Tauri Group) berichtete. Die dabei verfolgten Ansätze sind erstaunlich vielfältig. So entwickelt die Firma Zero2Infinity derzeit das Trägersystem Bloostar, einen dreistufigen Raumtransporter, der mit einem Ballon zunächst in eine Höhe von 20 Kilometern gebracht wird, bevor er den Raketenantrieb zündet. Der deutlich geringere atmosphärische Widerstand erfordert entsprechend weniger Treibstoff. Bis Anfang 2019 soll das Gesamtsystem erfolgreich getestet sein.

Chuck Lauer von Rocketplane Global stellte ein Konzept vor, bei dem nicht Treibstoff, sondern der für Raketenantriebe erforderliche Sauerstoffbedarf reduziert wird. Das etwa 30 Meter lange Rocketplane mit gut 2000 kg Nutzlastkapazität startet zunächst wie ein Flugzeug und wird erst in der Luft mit flüssigem Sauerstoff betankt, um von dort aus Satelliten in den Orbit zu befördern oder die Internationale Raumstation ISS mit Nachschub zu versorgen.

(Bild: rocketplane)

Lauer pries das System als „Fedex Service für die ISS“ an, da es in der Lage sein soll, Bestellungen innerhalb von einer Woche auszuliefern. Starten könnte das Rocketplane auf dem Flughafen Glasgow Prestwick oder, falls sich das infolge des Brexit als zu kompliziert erweisen sollte, vom Fliegerhorst Nordholz bei Cuxhaven.

Eine weitere Möglichkeit zur Senkung der Startkosten ist die Verbesserung der Antriebe. Hier hat Jack James Marlow im Rahmen seiner Dissertation an der Kingston University London eine Methode zur Kühlung der Brennkammer entwickelt, die er Vortex Cooling nennt: Der flüssige Sauerstoff wird dabei spiralförmig eingespritzt, wodurch sich die Verbrennung auf das Zentrum beschränkt. Das erlaube die Verwendung kostengünstigerer Materialien wie etwa Aluminium, führe zu einer effizienteren Verbrennung und erhöhe die Wiederverwendbarkeit. Beim Test der Methode wurde das Metall der Brennkammer nicht heißer als 145 Grad Celsius, obwohl die Flamme mit 2731 Grad Celsius brannte und einen Schub von 22 Newton erzielte.

Der Raketenmotor sei die teuerste Komponente einer Raketenstufe sagte auch Luce Fabreguettes, die als Vizepräsidentin bei Arianespace die Leistungsfähigkeit der drei Raketen Ariane, Sojus und Vega im Blick hat. Für das zukünftige Flaggschiff Ariane 6, die gerade entwickelt wird und 2020 ihren Jungfernflug absolvieren soll, werde daher das System Adeline entwickelt. Dabei wird der Motor der Hauptstufe, nachdem diese ihren Treibstoff verbraucht hat, vom Tank getrennt und landet mithilfe von ausklappbaren Flügeln und Propellern auf einer Landebahn. Auf diese Weise könnten 80 Prozent des ökonomischen Wertes der Hauptstufe bewahrt und wiederverwendet werden.

SABRE-Antrieb

(Bild: Reaction Engines)

Zudem wird die begrenzte Lebensdauer des Antriebs tatsächlich nur für Starts genutzt, während die Konkurrenzfirma SpaceX mit den senkrechten Landungen ihrer Hauptstufen zwar viel Medienaufmerksamkeit bekommt, aber auch wertvolle Betriebszeit des Antriebs verbraucht. Was sich am Ende wirtschaftlich besser bewährt, muss sich erst noch zeigen.

Am futuristischsten war bei der Londoner Konferenz vielleicht das Konzept Skylon der Fima Reaction Engines, das Stuart McIntyre vorstellte. Es startet wie ein Flugzeug horizontal und verwendet den SABRE-Antrieb, der den Treibstoff zunächst mit Sauerstoff aus der Atmosphäre verbrennt und in größerer Höhe dann wie ein Raketenmotor mit bordeigenem Sauerstoff versorgt wird. Anfang der 2020er-Jahre soll Skylon erstmals fliegen.

Ob sich all diese Wünsche und Versprechungen erfüllen werden, darf bezweifelt werden. Maxime Puteaux betonte in seinem Vortrag: „Es braucht mehr als nur Raketentechnik, um ein Trägersystem auf den Markt zu bringen.“

Mehrfach wurde in den Diskussionen auf das Beispiel der Satellitenbetreiber Teledesic und Iridium verwiesen, die in den 1990er-Jahren mit großen Ambitionen antraten – und scheiterten. Auch die gegenwärtige Aufregung um das große Geschäft mit kleinen Satelliten könnte sich am Ende als Blase entpuppen, die platzt, mahnte Daniel Lim von der Firma Xtenti. Ob wir gegenwärtig wirklich einen Paradigmenwechsel erleben oder doch nur einen Hype, sei noch nicht entschieden.

Er empfahl, bei den Geschäftsmodellen nicht zu sehr auf Business-to-Business zu setzen, sondern den Endnutzer im Auge zu behalten. Vielleicht stelle sich heraus, dass die vorhandenen und bewährten Systeme wie Sojus völlig ausreichen, um die Nachfrage nach Startmöglichkeiten zu befriedigen.

(kbe)