Die E-GrĂĽnen kommen
Mit dem Expertenforum "e-green" wollen sich die GrĂĽnen an die Aufarbeitung von Defiziten in der Netzpolitik machen und ihr Programm aufpeppen.
Bündnis 90/Die Grünen wollen mit gutem Beispiel vorangehen und den Rückstand der Politik im Bereich Wissensgesellschaft und New Economy verkürzen. Dazu haben Bundesvorstand und Bundestagsfraktion heute in Berlin das Forum "e-green" ins Leben gerufen. Es soll zum Think-Tank der Partei heranreifen und bei der Weiterentwicklung des Programms helfen. Für den nötigen Input sorgen Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und aus Gewerkschaftskreisen.
Die Gründung des Forums war auf dem kleinen Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen im Oktober beschlossen worden. Auf diesem Treffen des Länderrats hatten die Teilnehmer Informationsfreiheit und Informationsgerechtigkeit als die wichtigsten Voraussetzungen für den Wandel hin zur Wissensgesellschaft ausgemacht. "Wir wollen den Menschen nicht nur helfen, einen Internetführerschein zu erwerben, sondern ihnen auch den Zugang zu einer freien und vielfältigen Datenautobahn schaffen", heißt es in dem Beschluss vom Herbst. Statt nur bei jeder Gelegenheit zu zeigen, dass man auch "drin" sei, wurde gleichzeitig ein "langfristig angelegter Dialog mit internen und externen FachexpertInnen" angedacht, der nun in die Wege geleitet wurde.
Unterteilt ist das Forum in vier Fachgruppen. Im Arbeitskreis Informationsgerechtigkeit sollen der Berliner Informatikprofessor Wolfgang Coy sowie Ute Bernhardt vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF) bei der Klärung der Frage helfen, was zur Überwindung der digitalen Spaltung der Gesellschaft in User und Loser zu tun ist. Der Komplex Informationsfreiheit, worunter die Grünen Bereiche wie Datenschutz und Fragen der Überwachung des Netzverkehrs genauso fassen wie die Stärkung der Demokratie durch die Online-Kommunikation, wird unter anderem von den Politologen Claus Leggewie (Universität Gießen) und Jeanette Hoffmann (Wissenschaftszentrum Berlin) aufbereitet. Regulierungsfragen im Zusammenhang mit der Konvergenz von neuen und alten Medien werden in einem weiteren Arbeitskreis erörtert.
Auf den ersten Blick überraschen mag die Tatsache, dass die Grünen auch dem Themenbereich Internetökonomie eine eigene Gruppe gewidmet haben. Doch in der Partei dreht sich längst nicht mehr alles um "Wollsocken und Bauernhof", hat Sylvius Bardt, Geschäftsführer der Expertenvermittlung Questico erkannt. Neben dem Startup-Gründer und anderen Fachleuten aus der New Economy sowie von der IG Metall wird auch Margareta Wolf ihre neuen Erfahrungen als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium in diesen Diskussionskreis einbringen. Gemeinsame Positionen sollen dabei zur Unternehmenskultur in Startups, zur Besteuerung von Aktienoptionen und zu allgemeinen Veränderungen in der Arbeitswelt gefunden werden.
Vom Image einer reinen Ökopartei wollen sich die Bündnisgrünen mit der Etablierung des Forums endgültig verabschieden. Schon im Beschluss des kleinen Parteitags hat sich die Fraktion neue, einer Unternehmerpartei Konkurrenz machende Ziele auf die Fahnen geschrieben – so etwa die Schaffung eines "positiven Klimas der Selbstständigkeit", in dem "Geschäftsideen schnell umgesetzt werden können". Doch bis sich die Grünen tatsächlich als vernetzte Partei und Lobby von Startup-Gründern und Surfern präsentieren können, ist noch einiges Feilen am Image und am Programm nötig. "Wir wollen uns mit dem Forum auch auf Defizite aufmerksam machen lassen", gibt Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, zu. Erste Ergebnisse der Arbeit des Forums möchte sie gemeinsam mit ihren Kollegen im Herbst präsentieren.
Unklar ist noch, wie sich die Zusammenarbeit von "e-green" mit dem Netzwerk Neue Medien gestalten soll, das die parteinahe Heinrich Böll Stiftung bereits im Mai vergangenen Jahres ins Leben gerufen hatte. Auch dort sind im Oktober eine Reihe von Projekten gestartet worden, unter anderem zu Open Source, zur E-Demokratie, zur freien Meinungsäußerung und zum Schutz der Privatsphäre. "Es gibt Überschneidungen", sagt Niombo Lomba, Bundesvorstand der Bündnisgrünen. Aber besser zu viel Networking als zu wenig. (Stefan Krempl) / (jk)