Dieselskandal: VW will in Europa offenbar keinen Schadenersatz leisten

Volkswagen hat nach eigener Auffassung mit dem Einbau von Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung nicht gegen EU-Recht verstoßen. Von einer Software-Manipulation wollen die Wolfsburger nichts mehr wissen.

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Wer in Europa einen Schummeldiesel von VW ver- oder gekauft hat oder anderweitig von dem Abgasskandal betroffen ist, kann nach Ansicht des Konzerns nicht auf Schadenersatz hoffen. Die in die Problemdiesel eingebaute Software stelle "keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht dar", erklärten der Wolfsburger Konzern auf Anfrage von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR. Die Abgasreinigung sei also nicht illegal nach der offiziellen Messung auf dem Prüfstand weitgehend ausgeschaltet worden, wodurch sich der Schadstoffausstoß auf der Straße massiv erhöhte.

Vor einem guten Jahr waren die unsauberen VW-Praktiken in den USA publik geworden. Dort hat der Autobauer zugegeben, Dieselfahrzeuge manipuliert zu haben. Er zahlt in den Vereinigten Staaten über 16,5 Milliarden US-Dollar Schadenersatz und Strafen. Erst Ende Oktober ließ sich der zuständige Richter auf einen entsprechenden Vergleich mit dem Konzern ein. Volkswagen-Chef Matthias Müller glaubte damit, einen wichtigen Meilenstein erreicht zu haben, um das vor geraumer Zeit selbst verursachte Problem aufzuarbeiten.

Auf dem alten Kontinent will VW es mit der neuen Strategie offenbar partout vermeiden, vergleichbare Summen zahlen zu müssen. Man habe die Vorgaben für die gesetzlich vorgeschriebenen Schadstoff-Messungen zumindest im Labor erfüllt, heißt es dem Bericht zufolge in Schriftsätzen der Wolfsburger vor Gericht: "Von einer Manipulation lässt sich deshalb nicht sprechen."

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
)

Volkswagen bestreite sogar, dass die Stickoxid-Emissionen von Diesel-Pkw gesundheitsschädlich seien und widerspricht damit dem Umweltbundesamt. Die drei Medien zitieren das Unternehmen mit der Behauptung, dass "eine seriöse Ermittlung von Krankheitszahlen oder sogar Todesfällen für bestimmte Bevölkerungsgruppen nach unserem Kenntnisstand aus wissenschaftlicher Sicht nicht möglich ist".

VW hat trotzdem auch in Europa damit begonnen, betroffene Fahrzeuge mit neuer Software auszustatten. Man wolle in diesem Punkt im "besonderen Interesse der Kunden" mit den Behörden zusammenarbeiten, heißt es dazu aus Wolfsburg. Der Prozess läuft hierzulande aber bislang schleppend. Von rund 2,6 Millionen Autos mit dem auffällig gewordenen EA-189-Motor hat der Konzern erst unter zehn Prozent umgerüstet. Am Freitag kündigte der Hersteller nun an, dass das Kraftfahrt-Bundesamt Lösungen für diese problematischen Fahrzeuge nun freigegeben habe. Kunden würden direkt und zeitnah informiert und könnten unverzüglich Termine in einer Vertragswerkstatt nach Wunsch vereinbaren.

Im Februar hatten die EU-Mitgliedsstaaten den Weg freigemacht für neue Regeln für Abgastests. Demnach sollen die Emissionen von Dieselfahrzeugen zwar künftig unter "realen Fahrbedingungen" geprüft werden; dabei dürfen Stickoxid-Grenzwerte aber künftig während einer ersten Phase noch immer um bis zu 110 Prozent überschritten werden. Erst nach 2020 wird das Limit für den Stickoxid-Mehrausstoßes bei 50 Prozent liegen. (axk)