Breitbandausbau: Netzallianz will bis 2025 "Gigabit-fähige Infrastruktur"

Ein superschnelles Breitbandnetz soll binnen zehn Jahren kommen, aber "ohne populistische Zahl" und Vorzug für eine spezielle Technologie wie Glasfaser. Darauf einigten sich Vertreter von Politik und Wirtschaft. Die Netzneutralität gerät unter Beschuss.

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Breitband-Internetversorgung

(Bild: dpa, Jens Büttner)

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Die in der "Netzallianz Digitales Deutschland" zusammengeschlossenen Telekommunikationsunternehmen haben sich bei ihrem sechsten Treffen mit Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag auf einen vierstufigen Plan zum weiteren Breitbandausbau verständigt. "Bis 2025 wollen wir eine Gigabit-fähige, konvergente Infrastruktur aufbauen", erklärte der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur im Anschluss an die Sitzung. Damit solle eine "hochvernetzte Gesellschaft" mit einer Kombination aus intelligentem Netz, Echtzeit-Verfügbarkeit, Sicherheit, Energieeffizienz und vielem mehr ermöglicht werden.

Das bisherige Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2018 alle deutschen Haushalte mit Internetanschlüssen von mindestens 50 MBit/s zu versorgen. Dieses werde erreicht, gab sich Dobrindt zuversichtlich. Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) hatte im September jedoch gewarnt, dass die Messlatte aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen nicht mehr erreichbar sei. "20 Milliarden Euro an Investitionen sind schon in den Ausbau geflossen", hielt der Minister dem entgegen. "Wir haben hier die höchste Dynamik in Europa". Zudem trete am Donnerstag ein Gesetz in Kraft, das Breitband und Glasfaser weiter beflügeln solle.

Bis 2019 sollten im Anschluss Gewerbegebiete sowie kleine und mittlere Unternehmen insbesondere weiter versorgt, bis Ende 2020 die Voraussetzungen für einen flächendeckenden "Rollout" der nächsten Mobilfunkgeneration 5G geschaffen werden, so Dobrindt. Parallel werde schon im nächsten Jahr der konkrete Fahrplan für die vierte Stufe ausgearbeitet und "mit Einzelmaßnahmen unterfüttert". Ohne Engagement von staatlicher Seite werde es dabei nicht gehen, unterstrich er. Alle Beteiligten hätten vereinbart, dass es für die Gigabit-Phase "wirkungsvolle Förderkulissen" geben müsse. Diese seien aber noch nicht in Euro und Cent beziffert.

"Wir haben uns nicht dazu hinreißen lassen, zu sagen, nach 50 MBit/s kommt hundert oder ein Gig", freute sich mit Timotheus Höttges der Chef der Deutschen Telekom. Die Allianz habe auch "nicht darüber diskutiert, ob Glasfaser die allein seligmachende Strategie ist". Eine Zahl und Technologie in den Vordergrund zu stellen, wäre "populistisch" und "weit gefehlt" gewesen.

Im Vorfeld hatte es geheißen, dass die Telekom ihr Plazet für die neue Initiative bis zum Fristablauf am Freitag verweigert hätte. Ein Sprecher des Konzerns meinte, dass man sich auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft für "realistische Ziele" und "entsprechende Handlungsbedarfe" einsetze. Die Wettbewerber hätten dazu in den Beratungen der Netzallianz wenig vorzeigen können. Letztlich trug die Telekom, die momentan vor allem auf den DSL-Turbo Vectoring setzt, den Plan aber doch mit.

Zuletzt hatte sich der Verbund im Juni auf eine Neuauflage des "Kursbuches Netzausbau" verständigt, in dem die beteiligten Unternehmen zusagten, in diesem Jahr acht Milliarden Euro in den Ausbau von superschnellem Breitbandnetz zu investieren. Den Glasfaserbedarf sollte eine Studie zur Gigabit-Gesellschaft ausloten. Die Telekom-Herausforderer fordern seit Längerem einen Masterplan für ein Glasfasernetz. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte im März für eine solche "Strategie bis 2025 geworben.

Manfred Hauswirth vom Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (Fokus) präsentierte aus der inzwischen vorliegenden Analyse der "Anforderungen an die Netzinfrastrukturen" für die kommenden zehn Jahre die Erkenntnis, dass "Bandbreite allein nicht ausschlaggebend ist". Es gehe etwa auch um Latenz, Paketverluste und Verfügbarkeit. Er plädierte für Technologiemixe, "die Funk oder Kupfer integrieren". Nötig seien "intelligente Netze", die selbst Dienste bereit stellen. Die Devise des Forschers lautet: "Das Netz wird virtualisiert, wird zur Ressource nach dem Vorbild der Cloud".

Das Prinzip des offenen Internets, das in "dummer" Manier alle Pakete mehr oder weniger gleich behandelt und transportiert, könnte mit einem solchen Ansatz unter die Räder kommen. "Wir haben die Diskussion über die Netzneutralität wieder aufmachen müssen", erklärte dazu der Chef von Telefónica Deutschland, Thorsten Dirks. "Wir werden Qualitätsklassen definieren müssen", meinte er, um etwa medizinische Dienste bevorzugt behandeln zu können. "Wir dürfen die Augen davor nicht verschließen."

Das Netz auf Basis des schnellsten Dienstes allgemeingültig zu machen für alle, "wäre völlig ineffizient", war sich Höttges mit dem Konkurrenten einig. Laut dem Telekom-Chef erlaubt es aber schon der derzeitige Rechtsrahmen, "dass wir ein Netz mit anderen Serviceklassen haben". Vertreter der Allianz würden sich unabhängig davon "mit der EU-Kommission zusammensetzen", um investitionsfreundlichere Regeln zu diskutieren.

"Die Netze werden sich brutal verändern in naher Zukunft", ergänzte Dobrindt. "Wir reden noch darüber im Sinne eines Transportmittels", doch es werde eine "eigene Möglichkeit der Datenverarbeitung" erhalten. Für den Minister steht dieser Trend aber "in keinem Widerspruch zur Netzneutralität". (mho)