Studie: Nicht weniger, aber andere Arbeitsplätze in der Industrie 4.0

Forscher der Bundesagentur für Arbeit haben zwei Nachrichten. Die gute: Durch die Digitalisierung der Wirtschaft gehen zunächst kaum Jobs verloren. Die schlechte: Viele werden sich dennoch einen neuen Beruf suchen müssen.

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Industrie 4.0

(Bild: dpa, Bernd Weißbrod/Archiv)

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Von
  • dpa

Der deutsche Arbeitsmarkt steht mit der bevorstehenden Digitalisierung der Wirtschaft nach Prognosen von Arbeitsmarktforschern vor einer massiven Job-Umschichtung. Zwar würden mit der sogenannten Wirtschaft 4.0 bis 2025 unter dem Strich kaum Arbeitsplätze wegfallen. Hunderttausende von Beschäftigten müssten sich aber beruflich völlig neu orientieren, geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Nach Modellrechnungen dieser Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit werden bis zum Jahr 2025 rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen, zugleich aber rund 1,5 Millionen neu entstehen. "Da kommt erheblich was in Bewegung", betonte der IAB-Arbeitsmarktforscher Enzo Weber im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Studie berücksichtigt erstmals auch die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Dienstleistungsbranche.

Mit Jobverlusten rechnet das IAB vor allem im produzierenden Gewerbe. "Da wird es ein großes Minus geben. Aber da haben wir schon jetzt große Fachkräfteengpässe. Dieses Problem wird durch die Wirtschaft 4.0 eher abgemildert", ist Weber überzeugt. Betroffen seien weniger Hilfskräfte, von denen gebe es ohnehin nicht mehr so viele, sondern vor allem der klassische Facharbeiter, etwa in der Maschinensteuerung. Bei dieser Gruppe steige mit dem Einzug sich selbst steuernder digitaler Systeme und Roboter in den Fabrikhallen vorübergehend das Risiko, arbeitslos zu werden. Viele müssten sich umfassend fortbilden, um einen neuen Job zu finden. Hier sei neben den Unternehmen auch die Arbeitsmarktpolitik mit entsprechenden Aus- und Fortbildungsangeboten gefordert.

Abhängig von Randbedingungen wie staatlichen Investitionen schätzt die IAB-Studie die Entwicklung der Erwerbstätigen in verschiedenen Berufshauptfeldern.

(Bild: IAB-Studie)

Gebraucht würden Mitarbeiter mit IT-Kenntnissen, die in der Lage seien, "innovativ und in übergreifenden Prozessen zu denken", sagte Weber. Dabei sei die klassische duale Ausbildung in Betrieb und Berufsschule durchaus eine gute Basis. Sie müsse allerdings an die digitalisierte Arbeitswelt angepasst werden. "Die duale Ausbildung muss jetzt rasch fit gemacht werden für digitale Tätigkeiten. Denn bei der Wirtschaft 4.0 geht es darum, Theorie und Praxis zusammenzubringen. Wenn sich da was in den Betrieben weiterentwickelt, haben wir in Deutschland das, was andere Industrienationen nicht anbieten können."

Gute Jobchancen haben in der digitalen Arbeitswelt von Morgen nach Einschätzung der Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit vor allem IT-Experten und Naturwissenschaftler. "Wir brauchen künftig viele Leute, die die digitale Welt mit der realen Welt in den Werkshallen zusammenbringen." Gebraucht würden auch Fachleute, die die Mitarbeiter auf die neuen Aufgaben und das Zusammenspiel mit Robotern vorbereiten. Davon würden Weiterbildungsberufe profitieren.

Trotz der großen Job-Umwälzungen, die nach Webers Einschätzung nicht ohne Reibungen abgehen werden, könne Deutschland von der Wirtschaft 4.0 erheblich profitieren – und keineswegs nur Unternehmen und ihre Anteilseigner. Weber rechnet mit steigender Produktivität, höheren Einkommen und mehr Konsum. Dadurch würden indirekt auch andere Branchen profitieren und neue Jobs schaffen.

Fatal wäre es hingegen nach Ansicht der Autoren dieser Studie zur Arbeitsmarktentwicklung (PDF), die Möglichkeiten der Digitalisierung ungenutzt zu lassen. Deutschland würde damit wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten: "Produktionsrückgänge und zusätzliche Arbeitslosigkeit sind die Folgen." Nach der Definition des Bundeswirtschaftsministeriums zeichnet sich Wirtschaft 4.0 durch eine enge Verzahnung der Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik aus. Dabei koordinieren intelligente Maschinen selbstständig Fertigungsprozesse, Service-Roboter kooperieren in der Montage mit Menschen. Roboter sollen auch eigenständig Energie sparen, den Materialausschuss minimieren, Abläufe organisieren, Mängel melden und Nachschub organisieren – und das alles vernetzt mit den Kunden. (ad)