Netzbotschafterin: "Zu ethischen Prinzipien bei der Datenverarbeitung bekennen"

Die Frage, ob sich "Smart Data made in Europe" trotz oder gerade wegen des vergleichsweise strengen Datenschutzes realisieren lässt, stand im Zentrum eines Kongresses in Berlin. Anonymisierung allein hilft nicht immer weiter.

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Netzbotschafterin: "Zu ethischen Prinzipien bei der Datenverarbeitung bekennen"

Internetbotschafterin Gesche Joost glaubt, dass Innovation und Datenschutz keine Gegensätze sind.

(Bild: heise online/Krempl)

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"Wir Europäer müssen zeigen, dass wir innovativ sein und trotzdem den Datenschutz erhalten können". Mit diesen Worten brachte Gesche Joost, Internetbotschafterin der Bundesregierung für die EU-Kommission, das europäische Dilemma von Big Data am Montag beim "Smart-Data-Jahreskongress" des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin auf den Punkt.

Den europäischen Unternehmen riet die Designprofessorin, die weitverbreiteten Sorgen in der Bevölkerung vor dem "Big-Brother-Potenzial" massiver Datenanalysen ernst zu nehmen. Sie sollten sich zu "ethischen Grundsätze" bekennen. Angesichts von IT-Systemen, die nicht mehr vom Menschen zu kontrollieren seien, müssten nicht nur Algorithmen transparenter gemacht werden. Es sei auch nötig, Anonymisierung und Pseudonymisierung als zentrale Strategien im Umgang mit personenbezogenen Informationen sowie das Leitbild der "digitalen Souveränität" anzuerkennen.

"Die große Mehrheit der Daten ist nicht personenbezogen" und fielen damit höchstens dem Eigentums- oder Informationsfreiheitsrecht, betonte der grüne Abgeordnete Jan Philipp Albrecht, Verhandlungsführer zur Datenschutz-Grundverordnung im EU-Parlament. Die ab Mai 2018 geltende Verordnung sei schon in diesem Sinne kein Innovationshemmer für Big Data.

Darüber hinaus sei der "klare Weg der Anonymisierung" vorgegeben, wenn die Verordnung nicht mehr greifen solle, konstatierte der Grüne. Wer den europäischen Markt bediene und sich nicht daran halte, müsse mit "scharfen Sanktionen mit bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes" rechnen. Ein neuer Datenschutzausschuss der nationalen Aufsichtsbehörden solle dafür sorgen, dass die Regeln kohärent angewendet würden und kein "Forum-Shopping" mehr möglich sei.

"Datenschutz ist ein wesentliches Erfolgsmerkmal für nachhaltige Geschäftsmodelle", gab die erkrankte Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff den Teilnehmern in einer kurzen Note mit auf den Weg. Der zeitgemäße Ansatz sei, "die Menge der auf einzelne natürliche Personen beziehbaren Daten zu minimieren", schreibt ihr Vorgänger Peter Schaar in einer Begleitbroschüre. Sonst drohe eine "an vermeintlich objektiven Kriterien orientierte systematische Diskriminierung einzelner Personen und von Gruppen". An "Privacy by Design" führe kein Weg vorbei.

Das Wirtschaftsressort fördert mit dem bis 2018 laufenden Technologieprogramm "Smart Data" 13 Vorhaben mit rund 30 Millionen Euro, die den Big-Data-Markt für die deutsche Wirtschaft erschließen sollen. Die beteiligten Unternehmen und Organisationen bringen weitere 25 Millionen Euro auf.

In der Praxis erwiesen sich vor allem "die Qualität und Herkunft von Daten" als problematisch, führte Indra Spiecker aus, die als Juristin das Projekt Smart Regio begleitet. Nicht immer sei zwischen Informationen zu Sachen und Personen leicht zu unterscheiden. So könne man etwa "schnell Leute identifizieren, wenn man ihren Strombedarf und -verbrauch kennt". Laut der Wissenschaftlerin kommt es vor allem darauf an zu verhindern, "dass über Daten Machtgefälle entstehen".

Die Beteiligten am Projekt Excell gäben sich alle Mühe, Nutzerdaten zu anonymisieren, ergänzte Helmut Krcmar von der TU München: "Wir geben noch nicht einmal die Kennzeichen weiter." Die Initiative solle Handwerkern zielgerichtete Verkehrsinformationen an die Hand geben, damit sie etwa "weniger herumfahren müssen". Verfolgt werde dazu unter anderem mit der IMEI die Gerätenummer der Handys der Teilnehmer. Letztlich lasse sich aber auch diese Kennung zurückverfolgen auf einzelne Mitstreiter, sodass das Verfahren noch verbessert werden müsste. (vbr)