Zeitarbeit und Werkverträge: Bitkom will Ausnahmen für Digitalisierung der Wirtschaft

Ein neues Gesetz zu Zeitarbeit und Werkverträgen soll den verbreiteten Missbrauch dieser Instrumente verhindern. Der Bitkom fordert, die Digitalbranche von den Regeln auszunehmen.

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Büro, Arbeitsplätze
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Von
  • Jürgen Diercks

Laut Bitkom erschwert das neue Gesetz zu Zeitarbeit und Werkverträgen die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft. Angeblich bremsen die Neuregelungen IT-Projekte aus und erschweren es Unternehmen, externe IT-Spezialisten zu beschäftigen. Heute berät der Bundesrat abschließend über das Gesetz, das der Bundestag am 21.10.2016 verabschiedet hatte.

Wichtigste Neuerung ist die gesetzliche Regelung zu Equal Pay: Leiharbeitnehmer sollen nach neun Monaten den gleichen Lohn erhalten wie vergleichbare Stammarbeitnehmer. Ein weiterer Aspekt ist die Einführung einer Überlassungshöchstdauer. Damit müssen Leiharbeitnehmer nach 18 Monaten, wenn sie weiterhin im gleichen Entleihbetrieb arbeiten sollen, entweder übernommen oder abgezogen werden. Ein längerer Einsatz lässt sich jedoch in Tarifverträgen oder auch außertariflich vereinbaren. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ist der Überzeugung, dass Unternehmen, die mehr Flexibilität wollen, auch mehr Sicherheit bieten müssen.

Bundesarbeitsministerin Nahles will Arbeitnehmerrechte stärken. Der Bitkom glaubt, dass das in der Digitalbranche nicht notwendig sei und sogar kontraproduktiv wirke.

(Bild: BMAS)

Tatsächlich haben sich viele Probleme der Leiharbeit in den Bereich der oft missbräuchlich genutzten Werkverträge verlagert. Ein Kernproblem: Verträge zwischen Unternehmen lassen sich nahezu risikolos als Werkverträge bezeichnen, auch wenn es sich de Facto um Leiharbeit handelt. Die vorgesehenen Regelungen ändern das insbesondere durch die Pflicht zum Offenlegen der Arbeitnehmerüberlassung.

Laut Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hätte sich die Reform allerdings auf Problembranchen mit Lohndumping beschränken sollen, und IT-Unternehmen gehören definitiv nicht dazu. Er sieht in den Gesetzesverschärfungen nur Nachteile für seine Klientel.

Dieses Problem habe die Politik durchaus erkannt, jedoch ohne daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. So heißt es in der Gesetzesbegründung zwar, die unternehmerische Tätigkeit von Beratungsunternehmen – speziell der IT-Branche – dürfe nicht eingeschränkt werden. Rechtsverbindlichen Charakter habe dies allerdings nicht, kritisiert Rohleder. Der Bitkom fordert daher, die Digitalwirtschaft grundsätzlich von den Einschränkungen der Arbeitnehmerüberlassung auszunehmen. Man vermutet, dass sich die Wirtschaft durch mehr Bürokratie, steigende Kosten und sich nun länger hinziehende Projekte nicht so schnell wie gewünscht „digitalisieren“ kann.

Zudem befürchtet der IT-Interessenverband durch das Gesetz eine Verschärfung des Fachkräftemangels. Denn durch die strikteren Regelungen müssten die Unternehmen mehr eigenes Personal vorhalten, das laut Rohleder nicht zur Verfügung steht. Eine Umfrage des Bitkom hatte ermittelt, dass in Deutschland derzeit 51 000 IT-Spezialisten fehlen, davon 20 500 in der IT- und Telekommunikationsbranche. Tendenz: steigend.

Stimmt der Bundesrat zu, soll das Gesetz zum 1. April 2017 in Kraft treten. Einige Experten sehen unabhängig von den Klagen des Bitkom Lücken im neuen Gesetz, mit denen Arbeitgeber Equal Pay weiterhin umgehen können. So sei etwa eine Rotationslösung denkbar, wenn ein Verleiher beispielsweise zwei Leiharbeitnehmer halbjährlich wechselnd in zwei Entleihbetrieben einsetzt, sogenannte Karussell- oder Ping-Pong-Gestaltungen. (jd)