Experte: "GCHQ ist längst ein Teil der NSA geworden"

Der Politologe Richard Aldrich verdeutlichte im NSA-Untersuchungsausschuss die besonders enge Verbindung zwischen britischen und US-amerikanischen Geheimdiensten. Ein Bürgerrechtsanwalt warnte vor einer unheiligen Allianz.

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GCHQ

(Bild: dpa, Gchq/British Ministry Of Defence)

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Auch in Großbritannien gibt es nach den Snowden-Veröffentlichungen eine mehr oder weniger lebhafte Debatte über Geheimdienste, wobei die derzeit mangelnde Transparenz der Sicherheitsbehörden im Vordergrund steht. Dies berichteten Experten aus dem Vereinigten Königreich am Donnerstag bei einem Sachverständigengespräch im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die Vorzeichen für die Arbeit der Agenten seien auf der Insel aber eine andere als hierzulande.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die Enthüllungen des NSA-Whistleblowers hätten in seinem Land weniger Aufsehen erregt als in der Bundesrepublik, erklärte Richard Aldrich, der an der Universität Warwick internationale Sicherheitspolitik lehrt. Viele Briten hätten laut Umfragen prinzipiell nichts gegen Überwachung oder forderten gar mehr Rechte für die Sicherheitsbehörden. In dieser Sache herrsche aber "eine ziemliche Verwirrung", meinte der Forscher: Es hänge schließlich viel davon ab, "wie die Fragen gestellt werden". Zudem gebe es in Großbritannien oft keine hinreichende Diskussion über den Wert der Privatheit.

Das Verhältnis zwischen dem Government Communications Headquarters (GCHQ) und dem großen Bruder in den USA beschrieb Aldrich als besonders innig. Der britische technische Geheimdienst "ist längst ein Teil der NSA geworden", gab er zu Protokoll. Beide Seiten führten in enger Absprache gemeinsame Operationen durch. Die Kooperation mit deutschen Geheimdiensten sei dagegen deutlich spezifischer.

Zudem stünden sich britische und US-amerikanische Sicherheitsbehörden sowie Technologiefirmen traditionell sehr nah, führte der Politologe aus. Dies gehe soweit, dass einige der Unternehmen "von Geheimdiensten gesteuert" und so etwa Hintertüren gezielt genutzt würden, um Verschlüsselung auszuhebeln. In der "Tech-Community" gebe es aber zunehmend Widerstand gegen derlei Verfahren.

Aldrich berichtete, dass britische Nachrichtendienste rund 180 Vereinbarungen zum Informationsaustausch mit Sicherheitsbehörden in anderen Ländern hätten. Da könne der Überblick schon mal verloren gehen. So habe es in der Politik mal Sorge gegeben, dass eine Vereinbarung mit einem afrikanischen Staat zu weit ginge. Der entsprechende Vertragstext habe dann aber gar nicht gefunden werden können. Der Beobachter empfahl daher, die Kontrolle der Geheimdienste deutlich zu verbessern und etwa den Posten eines Generalinspekteurs einzuführen. Zudem müssten die Chancen für Whistleblower gestärkt werden, auch innerhalb einer Behörde Missstände zu melden.

Sehr besorgt über den florierenden Datenaustausch vor allem zwischen GCHQ und NSA zeigte sich Ben Jaffey, der für die Bürgerrechtsorganisation Privacy International Klagen gegen das britische Amt vertreten hat. Dieser müsse besonders kritisch beäugt werden, falls die USA unter Präsident Donald Trump zu den "dunklen Tagen" zurückkehrten, in denen Folter als hoffähig angesehen worden sei. Die Existenz von Überwachungsprogrammen wie Tempora zum massiven Datenabgriff an Unterseekabeln habe die britische Regierung eingestanden, halte diese aber für legal, sodass nun der Europäische Menschengerichtshof entscheiden müsse.

Selektoren zum Rastern der abgefangenen Kommunikationsverkehre werden Jaffey zufolge in Großbritannien nicht einzeln geprüft, sondern nur über ganz allgemeine Anordnungen freigegeben. Die Zivilgesellschaft habe gelernt, dass die Sicherheitsbehörden und nationale Gerichte die gesetzlichen Kompetenzen häufig heimlich sehr weit interpretierten, was den Abgeordneten angesichts der Weltraum- oder Funktionsträgertheorie des Bundesnachrichtendiensts (BND) bekannt vorgekommen sein dürfte. Jaffey warnte: "Befugnisse haben die Tendenz, missbraucht zu werden."

Silkie Carlo von der britischen Menschenrechtsorganisation Liberty rügte, dass das Parlament auch mit der jüngsten Geheimdienstreform in Form des umstrittenen Investigatory Powers Act (IPA) der Datenaustausch mit ausländischen Behörden entgegen der Empfehlung eines Ausschusses nicht angerührt habe. Davon seien unverhältnismäßig große Mengen an Bits und Bytes betroffen, sodass Liberty "aus gutem Grund von Massenüberwachung spreche".

Vor allem Metadaten seien extrem umfassend, erläuterte Carlo. Sie bezögen sich nach britischem Verständnis auch darauf, "welche Webseiten wir aufsuchen". Sie seien ferner von Inhaltsdaten nicht mehr zu trennen. Auf der Insel dürften sogar biometrische Daten aus der Gesichtserkennung oder Stimm-Samples darunterfallen. Liberty werde daher gegen das neue Überwachungsgesetz klagen, da damit ein "klarer Bruch universeller Menschenrechte" einhergehe.

Der "unabhängige Beauftragte für die Aufsicht über die britische Antiterror-Gesetzgebung", David Anderson, zeigte sich dagegen erfreut, dass die Abgeordneten einen Großteil seiner Empfehlungen zum IPA aufgenommen habe. Massenüberwachung gebe es auf der Insel nicht, allenfalls eine "anlasslose Sammlung großer Datenmengen". Dass deren Analyse funktioniere, zeige schon die Qualität der Internetsuche über Suchmaschinen wie Google. Dort kämen trotz der immensen Informationsmengen im Netz ja doch die "richtigen Ergebnisse" gleich auf der ersten Seite. (axk)