Bundesverfassungsgericht: Atomausstieg im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar

Der nach dem Super-GAU von Fukushima beschlossene Ausstieg aus der Atomkraft ist in großen Teilen mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Atomindustrie steht eine "angemessene Entschädigung" zu.

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Bundesverfassungsgericht: Atomausstieg im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar

AKW Grohnde

(Bild: dpa)

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Das "Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011" („13. AtG-Novelle“) zum endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft ist für die Atomindustrie weitgehend zumutbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht am heutigen Dienstag entschieden. Allerdings stehe den Energiekonzernen wegen des beschleunigten Atomausstiegs nach der Katastrophe von Fukushima eine "angemessene" Entschädigung zu.

Geklagt hatten Eon, RWE und Vattenfall. Dem Urteil zufolge muss der Gesetzgeber bis Ende Juni 2018 eine entsprechende Regelung schaffen. Mit der Karlsruher Entscheidung wird den Unternehmen noch kein Geld zugesprochen. Sie schafft aber die Grundlage dafür, um Ansprüche außergerichtlich oder in weiteren Prozessen durchzusetzen.

[Update 6.12.16, 9.46 Uhr]:

Das Bundesverfassungsgericht meint, die Gesetzesnovelle von 2011 verletze die Eigentumsgarantie nach Artikel 14 des Grundgesetzes, da durch die eingeführten festen Abschalttermine nicht sichergestellt ist, dass die 2002 jedem AKW gesetzlich zugewiesenen Stromerzeugungskontingente verbraucht werden können. Zudem sehe die Novelle keinen Ausgleich für Investitionen vor, die im Vertrauen auf die im Jahr 2010 zusätzlich gewährten Stromerzeugungskontingente vorgenommen wurden.

2002 hatte die seinerzeit rot-grüne Bundesregierung den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomkraft beschlossen. Den einzelnen AKW wurden Kontingente an Reststrommengen zugeteilt, die auch auf andere, jüngere AKW übertragen werden durften. Nach deren Verbrauch waren die Kraftwerke abzuschalten, ein festes Enddatum enthielt das Ausstiegsgesetz aus dem Jahr 2002 nicht.

Nach der Bundestagswahl 2009 entschied sich die neue, schwarz-gelbe Bundesregierung für ein verändertes Energiekonzept, das die Atomkraft noch für einen längeren Zeitraum als "Brückentechnologie" nutzen sollte. Mit der 11. AtG-Novelle wurden allen AKW zusätzliche Reststrommengen zugeteilt, so sollten die Laufzeiten der deutschen AKW um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert werden. Nach dem Super-GAU vom 11. März 2011 wurden mit der 13. AtG-Novelle erstmals feste Endtermine für den Betrieb der AKW gesetzlich verankert und die im Herbst 2010 vorgenommene Laufzeitverlängerung der AKW rückgängig gemacht.

Dagegen hatten sich die drei Kläger gewandt. Sie meinten, ihnen sei massiver wirtschaftlicher Schaden verursacht worden. Die Gesamtforderungen wurden nie beziffert. Schätzungsweise dürfte es aber um rund 19 Milliarden Euro gehen.

Offen ist, ob die Unternehmen ihre grundsätzlich eingeräumten Ansprüche nun wirklich durchsetzen werden. Denn parallel laufen in Berlin Verhandlungen über die Aufteilung der gewaltigen Kosten für die Entsorgung der atomaren Altlasten. Damit der Staat den Kraftwerksbetreibern die Haftungsrisiken für die Endlagerung abnimmt, sollen diese eigentlich alle Klagen fallenlassen.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)