Auf nach Alpha Centauri

Mit Laserstrahlen will Philip Lubin Raumsonden auf ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, sodass sie weit entfernte Planeten relativ schnell erreichen. 2016 bekam er eine gewaltige Finanzspritze dafür.

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Von
  • Christian Rauch

Im April ließ der Milliardär Yuri Milner die Welt aufhorchen, als er verkündete, 100 Millionen Dollar in das Projekt Starshot zu investieren. Dessen Ziel: die Entwicklung eines Laserarrays, das miniaturisierte Raumsonden mittels dünner Segel auf ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und so zu weit entfernten Planeten befördern soll. Das Projekt, das auch von dem Physiker Stephen Hawking und dem Facebook-Chef Mark Zuckerberg unterstützt wird, ist das geistige Kind von Philip Lubin, Professor an der University of California in Santa Barbara und Leiter des Nasa-Programms Deep-in. Er ist zuversichtlich, dass sein Konzept funktionieren wird, aber noch liegt viel Forschung vor ihm. Wird er die Reise zu den Sternen noch selbst erleben?

Technology Review: Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie erfuhren, dass Yuri Milner 100 Millionen Dollar in ein Projekt investiert, das auf Ihrer Idee interstellarer Missionen basiert?

Philip Lubin: Zunächst konnte ich es wirklich nicht glauben. Normalerweise warte ich ein Jahr auf staatliche Fördergelder, die dann oft nicht einmal bewilligt werden – so gesehen ist es ein Wunder, wenn jemand wie Yuri innerhalb von Wochen sagt: "Ja, und übrigens investieren wir 100 Millionen Dollar in deine Idee."

Warum ging es in diesem Fall so schnell?

Zunächst habe ich seit 2009 auf dem Gebiet der "Directed Energy" geforscht, in dem es um fokussierte Laser für die Verteidigung der Erde gegen Asteroiden geht. Unser Team erkannte schnell, dass so ein System auch für relativistische Geschwindigkeiten genutzt werden könnte. Am 14. Februar 2013 veröffentlichten wir eine Pressemeldung über unsere Arbeit, weil am nächsten Tag der Asteroid 2012 DA14 der Erde nahekommen würde. Wir ahnten jedoch nicht, dass 18 Stunden später ein anderer Meteor die russische Stadt Tscheljabinsk treffen sollte – und plötzlich interessierte sich jeder für unser Projekt! Anfang 2015 bekamen wir Fördergeld von der Nasa, Ende 2015 lernte ich Pete Worden kennen, den früheren Leiter des Ames Research Center der Nasa. Pete erkannte sofort die Bedeutung unserer Arbeit und informierte seinen Freund Yuri über die Idee, mit Laserarrays miniaturisierte Raumsonden auf interstellare Missionen zu schicken. Einige Wochen später traf ich Yuri. Er erzählte, dass er schon als Kind davon geträumt hatte, zu den Sternen zu reisen, aber nie eine realistische Möglichkeit dafür gesehen hatte. Jetzt sah er diese Möglichkeit. Zehn Wochen später, im April 2016, gab er seine Unterstützung bekannt.

Was werden Sie mit den 100 Millionen erreichen können?

Die größte Herausforderung ist das Laserarray. Davon hängt das ganze Projekt ab. Da wir nicht mit einem einzelnen gigantischen Laser arbeiten wollen, müssen wir Millionen von Kilowattlasern kombinieren. Das ist eine große technische Herausforderung, weil das Laserarray genau synchronisiert sein muss. Das entspricht dem Bau eines modernen Supercomputers aus vielen einfachen Prozessoren, wie sie in Laptops stecken.

Wann, denken Sie, könnte das Laserarray in Betrieb gehen?

Die Energieerzeugung ist ökonomisch eine größere Herausforderung als technisch. Andererseits ist Photonik genau wie Elektronik eine Technologie, die sich exponentiell weiterentwickelt und bei der sich Leistung und Kosten schnell zu unserem Vorteil verändern. Die Synchronisierung aber stellt ein technisches Problem dar, das uns mehrere Jahre lang beschäftigen wird. Unsere Arbeit wird zunächst aus Labortests bestehen, und irgendwann werden wir rausgehen, um den Laserstrahl zu testen. Wir planen eine sechs- bis zehnjährige Forschungs- und Entwicklungsphase. Anschließend werden wir zusätzliche Förderung für ein größeres Demonstrationsprogramm brauchen.

Glauben Sie, dass Sie dieses Geld dann bekommen werden?

Ich bin recht optimistisch. Da wir das Projekt Schritt für Schritt entwickeln, werden wir weitere Anwendungen ermöglichen: Mit den ersten kleinen Laserarrays im Labor werden wir in drei Jahren kleine Testziele, ungefähr einen Millimeter groß, antreiben. Einige Jahre später könnten größere Arrays erste Objekte im Weltraum antreiben. Erste Testmissionen wären dann schnelle Sonden in unserem Sonnensystem.

Mit interstellarer Geschwindigkeit zum Mars?

Nein, für solche Missionen reichen viel niedrigere Geschwindigkeiten als die 0,2c für interstellare Ziele. Starshot wird erdgebunden und nur für kleine interstellare Nutzlasten geeignet sein, ein Array für planetare Missionen oder planetare Verteidigung aber müsste im Weltraum stationiert sein, im Erdorbit oder auf dem Mond. Mit wesentlich längerer Bestrahlungszeit könnte es ein 10 bis 100 Tonnen schweres Raumschiff in etwa einem Monat bis zum Mars schaffen. Wenn wir das Schiff wieder stoppen wollen, bräuchten wir allerdings ein zweites Array am Mars, und das wäre ein fernes Zukunftsziel.

Also gilt: je größer die Masse, desto kleiner die Geschwindigkeit, die der Laser ermöglicht?

Richtig – und umgekehrt. Für unser ultimatives Ziel brauchen wir 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, etwa 60000 km/s. Dann wären unsere nächsten Sterne, Proxima Centauri und Alpha Centauri, die etwa vier Lichtjahre entfernt sind, in 20 Jahren Flugzeit erreichbar. Hinzu kämen vier Jahre für die Datenübertragung zurück zur Erde.

Um diese Geschwindigkeit zu erreichen, dürfte die lasergetriebene Sonde nur wenige Gramm wiegen?

Ja, aber das sollte kein Problem sein. Jeder hat in den letzten Jahren die massive Miniaturisierung miterlebt, durch die kleine Smartphones so leistungsfähig geworden sind wie vorher große Computer. In etwa 20 Jahren dürften wir alles, was wir für eine Raumsonde brauchen – Navigation und Steuerung, eine Kamera, einen Sender – auf einem kleinen Chip integrieren können. Der Schlüssel zur Kostensenkung wird auch in der Stückzahl liegen: Da das erdbasierte Laserarray für interstellare Missionen pro Sonde nur jeweils einmal für ein paar Minuten feuern muss, können wir es viele Male nutzen, um viele kleine Sonden anzutreiben. Je mehr, desto besser. Wir könnten ganze Sondenschwärme zur Forschung losschicken. Obwohl das Laserarray teuer sein wird, werden die Minisonden recht billig sein. Das gleiche Array kann für unbeschränkt viele Missionen genutzt werden, was die Startkosten pro Mission reduziert.

Wird das Laserarray die einzige große Herausforderung sein?

Natürlich müssen wir auch sicherstellen, dass der Reflektor, also das Segel der Sonde, die Laserenergie effizient reflektieren kann. Hier liegt noch viel Arbeit vor uns. Die Reflektoren müssen sehr dünn und stabil sein, mit geringer Absorption, um die etwa 100 Gigawatt Laserenergie voll zu reflektieren. Es gibt schon jetzt viele Materialien, die das aushalten, aber sie sind noch zu schwer. Aber auch hier können wir auf einen Lernprozess setzen: Das Segel einer größeren Planetensonde wird leichter zu bauen sein, die Anforderungen an den Reflektor sind weniger streng. Das Gleiche gilt für die Entwicklung von Datenverbindungen mit langer Reichweite, um letztlich Forschungsdaten über eine Distanz von Lichtjahren zu übertragen.

Glauben Sie, dass Sie das erste Foto eines nahen Exoplaneten wie Proxima Centauri b noch sehen werden?

Um ehrlich zu sein: nein. Ich bin jetzt 63 Jahre alt und werde vielleicht noch den Start einer interstellaren Sonde in 30 Jahren erleben. Doch dann wird es noch einmal 24 Jahre dauern, bis Daten von einem Stern bei uns eintreffen. Aber auch in Bezug auf den Start bin ich nicht sicher. Vielleicht merken wir in den nächsten Jahren, dass die Entwicklung schwieriger ist, als wir dachten. So etwas dauert oft länger als erwartet. Ich bin trotzdem sehr froh, dieses Projekt beginnen zu können. Ich sehe meine Arbeit als Beitrag für künftige Generationen.

(jle)