Ex-BND-Abteilungsleiter räumt Schlamperei und Kontrollversagen ein

Die illegitimen Zielvorgaben der NSA seien längere Zeit trotz klarer Weisung doch nicht "todsicher" aus den BND-Überwachungssystemen herausgenommen worden, gab ein einstiger Führungsoffizier im NSA-Ausschuss zu.

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BND

(Bild: dpa, Soeren Stache)

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Hartmut Pauland, der von 2012 bis 2015 die Abteilung Technische Aufklärung (TA) beim Bundesnachrichtendienst (BND) leitete, ließ am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss durchblicken, was das Bundeskanzleramt offenbar mit den ausgemachten "technischen und organisatorischen Defiziten" bei dem Auslandsgeheimdienst meinte. Der Brigadegeneral gestand ein: Beim großen Reinemachen innerhalb der Behörde, mit dem ein weiteres "Ausspähen von Freunden" unterbunden werden sollte, habe man an die rund 13 Millionen Überwachungsmerkmale der NSA schlicht "nicht gedacht".

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Er habe zwar gewusst, dass in der BND-Niederlassung in Bad Aibling einschlägige NSA-Selektoren gesteuert würden, erläuterte der 61-Jährige. Nicht gerechnet habe er aber damit, "dass da so was drin war". Pauland spielte damit auf die zehntausenden von dem US-Partner eingebrachten Zielvorgaben an, die gegen deutsche Interessen gerichtet waren und sich auf Stellen und Personen in EU- sowie Nato-Ländern bezogen. Diese flogen im großen Stil erst auf Nachfragen der Abgeordneten hin im März 2015 auf.

Im Oktober 2013 habe Ex-BND-Präsident Gerhard Schindler nach dem berühmten Spruch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Schutz von Freunden vor Spionage die Weisung erteilt, entsprechende Ziele nicht mehr zu erfassen, wusste der inzwischen zur Bundeswehr zurückgekehrte Soldat. Er selbst habe daraufhin im März 2014 eine Kurzanweisung zu einem unklaren Fall sowie im April eine zweite Handreichung mit ausführlicheren Beispielen angefertigt. Im August habe er noch einmal nachgesteuert, wobei es um ein spezielles Land gegangen sei. Dabei sei es aber um BND-Selektoren gegangen und damit um Größenordnungen, die im Vergleich zu den NSA-Suchmerkmalen deutlich überschaubarer gewesen seien.

Die Unterschiede bei der Anzahl hingen dem Zeugen zufolge von der eingesetzten Technik ab, wo die NSA schon viel weiter gewesen sei "und der BND hinwollte". Generell sei bei den Pullachern genau darauf geachtet worden, dass Bundesbürger nicht rechtswidrig unter den anvisierten Zielen waren. Das "andere Wissen" über EU- und Nato-Belange sei dagegen "etwas verkümmert" gewesen. Erst bei der gründlicheren Aufarbeitung der US-amerikanischen Selektoren 2015 sei herausgekommen, dass es damit zu Treffern gekommen sei, "die nicht in Ordnung waren" und trotzdem teils als BND-eigene Zielvorgaben übernommen worden seien.

Bei seiner Vernehmung im Mai 2015 hatte Pauland noch zu Protokoll gegeben, dass Schindlers Weisung "todsicher" in die BND-Erfassungssysteme BND umgesetzt worden sei. Als ihn die Obfrau der CDU/CSU-Fraktion, Nina Warken, erneut mit dieser Aussage konfrontierte, musste er nach kurzer Pause eingestehen, dass dies "im US-Teil" zunächst nicht passiert sei. Dabei sei die Ansage des Präsidenten eigentlich "klar und deutlich" gewesen: "Da gab es nicht zu hinterfragen."

Aus den "unteren Bereichen", etwa der Nachrichtenbearbeiter, war laut dem Abteilungschef aber doch zu vernehmen gewesen, dass es Schwierigkeiten mit der Aufklärung nach der anfangs erfolgten "blockweisen Herausnahme" von BND-Selektoren gegeben habe. Einzelne Suchmerkmale seien daher im Nachhinein wieder eingestellt worden. Entsprechende Prüfungen habe er an seinen Unterabteilungsleiter und Stellvertreter D. B. delegiert, er selbst aber letztlich die Entscheidung gefällt. Letztlich habe es sich um eine Handvoll besonders komplexer Vorkommnisse gehandelt. Konkrete Selektoren seien aber nie über seinen Tisch gelaufen in den drei Jahren seiner BND-Zeit.

Dass es teils über ein Jahr dauerte, bis faule Zielvorgaben an Außenstellen wie Bad Aibling oder Rheinhausen inaktiv gestellt wurden, versuchte Pauland anfangs damit zu erklären, dass gerade technische Umrüstungen gelaufen und "bestimmte Systeme nicht verfügbar" gewesen seien. Zuvor hatten die Zuständigen vor Ort angegeben, dass sie die entscheidenden Weisungen teils erst deutlich verspätet erreicht hätten. Wenn dem so gewesen sei, "ist es Schlamperei", konstatierte der Offizier schließlich. Er habe aber keine Hinweise erhalten, dass die Ansagen nicht beachtet worden seien.

Nur noch dunkel konnte sich der im Herbst 2013 mit den Folgen eines Schlaganfalls Kämpfende an eine Mail an ihn und andere BND-Führungspersonen vom Mai 2013 erinnern, die sich um Unsicherheiten beim Bespitzeln internationaler Organisationen drehte. "Wenn gewünscht und Zeit vorhanden, könnten wir hier Handlungssicherheit schaffen", zitierte der Grüne Konstantin von Notz aus dem Schreiben. Er habe damals nicht darauf geantwortet, sagte Pauland. Er wüsste auch nicht, dass sich damals jemand mit der Sache beschäftigt habe. Ihm sei aber zu Ohren gekommen, dass die Mail zumindest zu Gesprächsrunden geführt habe und womöglich vom Rechtsreferat aufgegriffen worden sei.

Den Vorwurf des SPD-Abgeordneten Christian Flisek, dass es auf den höheren BND-Ebenen anscheinend lange kein Problembewusstsein für das Ausspähen von Freunden gegeben habe und in der Abteilung TA wenig Wert auf Transparenz gelegt worden sei, wies Pauland zurück. Er habe "nichts zurückgehalten" und könne nur hoffen, dass auch seine Mitarbeiter "alles hochgegeben haben". (kbe)