Studie: Selbstbestimmung im Büro statt digitalem Fließband

Die Studie "Lean und agil im Büro: Neue Formen der Organisation von Kopfarbeit in der digitalen Transformation" kommt zum Ergebnis, dass sich eine grundlegende Wende in der Organisation von Arbeit und Wertschöpfung in den Büros abzeichnet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 96 Kommentare lesen
Arbeit am Computer

(Bild: dpa, Patrick Pleul/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Matthias Parbel

Mit agilen Methoden wie Scrum, einem Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements; nimmt die Software-Industrie eine Vorreiterrolle beim digitalen Umbruch ein. Auch in Produktion und Industrie lösen Lean-Konzepte die traditionellen Arbeitsweisen zunehmend ab. Im Rahmen der Studie "Lean und agil im Büro: Neue Formen der Organisation von Kopfarbeit in der digitalen Transformation", die das Münchner Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt hat, kommt Vorstandsmitglied PD Dr. Andreas Boes zu der Einschätzung, dass auch die Arbeitswelt der Büroangestellten am Scheideweg stehe.

"Die Übertragung von Lean-Konzepten aus der Fertigung und der Einsatz von agilen Methoden aus der Software-Entwicklung sind zu einem neuen strategischen Trend in den Angestelltenbereichen geworden", erklärt Boes. Sein Forschungsteam habe beide Entwicklungen im Rahmen der Studie untersucht und dabei festgestellt, dass sich eine grundlegende Wende in der Organisation von Arbeit und Wertschöpfung in den Büros der Angestellten abzeichnet.

Methoden, die in der Softwareentwicklung den Projektteams mehr Selbstbestimmung bei der kontinuierlichen täglichen Arbeit innerhalb langfristiger Planungslaufzeiten verschaffen, sollen künftig auch die Arbeit in den Personal- und Finanzabteilungen oder im Vertrieb stärker standardisieren und prozessorientierter gestalten.

Konkrete Arbeitsaufgaben wie beispielsweise eine Bestellung oder eine Reisekostenabrechnung könnten in der Folge "wie am Fließband" in die standardisierten Arbeitsprozesse eingespeist und auf die passenden Mitarbeiter verteilt werden. Kennzahlen und "Shopfloor-Management" schaffen dabei die Voraussetzungen für transparente Messbarkeit aller Prozesse und Arbeitsschritte.

Die Bemühungen um Kostenreduzierung und mehr Effizienz gehen jedoch nicht spurlos an den Mitarbeitern vorbei, wie die Forscher im Rahmen der Studie feststellten: "Betroffene berichten jedoch auch von Dauerstress, einem Gefühl, unter ständigem Rechtfertigungsdruck zu stehen und keinen Einfluss mehr auf die eigenen Arbeitsabläufe zu haben."

Nach Einschätzung von Arbeitsforscher Boes gibt es dringenden Handlungs- und Gestaltungsbedarf durch Politik und Gesellschaft, um die aktuelle Entwicklung in der Arbeitswelt in geordneten Bahnen zu dirigieren. Bei den im Rahmen der Studie zwischen 2013 und 2016 untersuchten Unternehmen aus den Branchen IT, Automotive, Maschinenbau und Elektrotechnik zeige sich ein Spannungsfeld zwischen zwei konkurrierenden Konzepten: Auf der einen Seite stehen Rationalisierungsbestrebungen, die Kopfarbeit wie am Fließband zu organisieren. Dem gegenüber verfolgen andere Strategien das Ziel, Teams und Beschäftigte in die Lage zu versetzen, selbstständig zu agieren, kollektiv zu lernen und in Eigenverantwortung Innovationen zu generieren. (map)