IBM-Chef: Computer sollten besser aufs Herrchen hören

Erwin Staudt, Chef von IBM Deutschland, stellte seine Zukunftsvisionen von intelligenten Netzgeräten vor und nahm sich die Politiker zur Brust.

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Vernetzte, absturzsichere Waschmaschinen, Autos und Computer, die aufs Wort hören – Erwin Staudt ist sich sicher, dass die von der Industrie seit Jahren angepriesenen intelligenten Maschinen 2001 in den Alltag der Verbraucher einziehen werden. "Diese Technik ist schon heute state of the art", sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung von IBM Deutschland. Es gelte nun, die Menschen darauf vorzubereiten.

Besonders begeistert zeigte sich Staudt, der seine nahen Zukunftsvisionen bei der Eröffnung der neuen Räumlichkeiten der Berliner Polit-PR-Agentur Plato am gestrigen Donnerstagabend ausführte, von der "ersten sprechenden Waschmaschine". Das von Miele stammende Wundergerät, das IBM auf der CeBIT im März vorstellen will, soll allerdings nicht das Radio im Haushalt ersetzen. Das "Sprechen" beschränkt sich auf die Kontaktaufnahme mit dem Kundendienst über das Internet, um eine anstehende Wartung zu signalisieren. Zumindest die Familie Staudt dürfte damit einige Sorgen los sein: Wie der nie um eine Anekdote verlegene IBM-Chef berichtete, hätte bei den Stuttgartern bereits wiederholt die Waschmaschine just immer wieder dann ihren Dienst quittiert, wenn sich die Wäscheberge aus dem jüngsten dreiwöchigen Italienurlaub vor ihr auftürmten.

Auch dem Auto stehen Revolutionen bevor. Staudt schwärmt von neuen Luxusklassewagen als "fahrenden Computern mit Rechenzentren im Handschuhfach", die "Sie mit Sprache öffnen". Bleibt man trotz der tollen Ausrüstung mal etwas länger im Stau stecken, hilft die Technik auch gleich weiter. "Das beste Hotel in der Umgebung können Sie vom Auto aus buchen", weiß Staudt. Eine Auswahl mit oder ohne Schwimmbad und Frühstücksbüffet würde der Bordcomputer ausspucken.

Damit in Deutschland die Rahmenbedingungen für die vernetzte Informationsgesellschaft stimmen, hat der sich selbst als "ehemaligen PC-Verkäufer" bezeichnende Manager allerdings noch einige Wünsche an die Bundesregierung. "Wir müssen die Politiker dazu anregen, avantgardistischer zu denken und neue Dinge zu wagen", hat Staudt während seiner bisherigen Karriere erkannt. Gelungen scheint ihm das bereits mit der Green Card, deren Einführung der IT-Verband Bitkom Bundeskanzler Gerhard Schröder vor der letztjährigen CeBIT empfohlen hatte. Das erste Kontingent von 10.000 Arbeitsgenehmigungen für ausländische IT-Fachkräfte dürfte Mitte des Jahres vergeben sein, rechnet Staudt. Da sich das Konzept bewährt habe, schlug er in einem Pressegespräch vor seiner "Lecture" vor, die Green Card auf andere Industrien auszuweiten. Denn "um unser Wachstum in Deutschland aufrechtzuerhalten, brauchen wir Spezialisten aus aller Welt."

Staudt, der auch den Vorsitz der Wirtschaft und Politik zusammenführenden Initiative D 21 inne hat, forderte die Bundesregierung außerdem dazu auf, es "mit dem E-Government ernster zu nehmen". Den vorgegebenen Zeitplan, die E-Administration bis 2005 Realität werden zu lassen, sieht Staudt als "ein bisschen reichlich" bemessen an. Er drängt die Regierung, vor allem mehr Beteiligungsmöglichkeiten für die betroffenen Bürger zu schaffen. Ein erster Schritt sei die Möglichkeit zur offenen Kommentierung der Reformpläne des Bundesdatenschutzgesetz, an der sich die Netzgemeinde in einem Webforum seit vergangenem Jahr erstmals einbringen kann.

Dagegen missfallen dem schwäbischen IBM-Chef im Bereich der IT-Politik vor allem die Bestrebungen des Bundesjustizministeriums, pauschale Urheberrechtsabgaben auf PCs, Festplatten und Peripheriegeräte zu erlassen. Die zu erwartenden Gebühren in Höhe bis zu 280 Mark für eine komplette Computer-Heimausrüstung würden seiner Meinung nach "die Internet-Gemeinde dazu verleiten, die Geräte in der Schweiz oder in Belgien einzukaufen."

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin versucht Staudt daher von der Qualität der DRM-Lösungen aus dem eigenen Hause zu überzeugen. Dank Digital Rights Management ließen sich Musik-, Video- oder Textdateien so verschlüsseln, dass nur ein kurzes Antesten der Werke durch die Verbraucher möglich ist. "Bei jedem vollständigen Abruf wird dann eine Gebühr fällig", führte Staudt seine Vorstellung von Mautstationen auf dem Daten-Highway aus. Auch die CDU-Internetkommission hatte sich diese Woche zu Gunsten von DRM-Systemen und gegen pauschale Kopier-Abgaben auf PCs ausgesprochen. Sie warnt in ihrer Erklärung allerdings auch davor, dass "die vorhandenen Rechtemanagementsysteme noch nicht voll ausgereift" sind. Unter anderem müssten datenschutzrechtliche Sicherungen gewährleistet werden, die die Erstellung individueller Nutzerprofile ohne oder gegen dessen Willen verhindern.

Insgesamt sieht der IBM-Manager trotz der noch zu leistenden Aufklärungsarbeit bei Politikern die Chancen Deutschlands im Bereich Informationsgesellschaft und New Economy weitgehend optimistisch. Die Pleiten und Kurseinbrüche am Neuen Markt hätten zwar die Wirtschaftswelt "durcheinander gerüttelt". Doch die Startups waren seiner Prognose nach nur "das Wetterleuchten". Der "große Sturm" im E-Business komme jetzt, wo Unternehmenstanker wie Siemens, BASF, Daimler Chrysler und die Großbanken Millionen und Milliarden in das elektronische Geschäft investieren würden.

Größere Sorgen bereitet Staudt dagegen noch die drohende digitale Spaltung der Gesellschaft. Um die Kluft zwischen Usern und Losern zu vermeiden, will der IBM-Chef auch die eigene Branche in die Pflicht nehmen: Die Möglichkeit, Berührungsängste mit dem PC abzubauen, sieht er nur gegeben, wenn Rechner generell mit Spracheingaben gesteuert werden können. "Ich muss meinen PC genauso behandeln können wie meinen Hund", gab Staudt zum Amüsement der Zuhörer als Losung aus. Fünf bis sieben klare Befehle müssten im Umgang mit dem Computer ausreichen. (Stefan Krempl) / (jk)