IG Metall will Arbeitszeit grundlegend neu regeln

Bei den Arbeitszeiten kommen die Interessen der Beschäftigten regelmäßig zu kurz, findet die IG Metall. Sie will das komplexe Thema über Jahre hinweg bearbeiten und eine ganz neue Kultur schaffen.

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  • dpa
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Die IG Metall will die Arbeitszeiten der Beschäftigten in Deutschland grundlegend reformieren. Allein mit einem neuen Regelwerk sei das Thema allerdings nicht lösbar, sagte der Erste Vorsitzende der größten deutschen Einzelgewerkschaft, Jörg Hofmann, im Gespräch mit dpa. Ziel sei letztlich eine neue Unternehmens- und Führungskultur, welche die Zeitinteressen der Beschäftigten ernster nehme als bislang.

"Wir haben seit der Krise 2008/2009 wieder einen ungebremsten Aufschwung in Sachen Arbeitszeiten. Sie wurden in Länge, Lage und Intensität noch einmal deutlich ausgeweitet", stellte Hofmann fest. Mehr Schichtarbeit für immer weitere Beschäftigtenkreise, zu prall gefüllte Arbeitszeitkonten, ständige Erreichbarkeit und wenig Rücksicht auf private Belange seien einige der drängendsten Probleme, von denen Beschäftigte und Betriebsräte berichteten.

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Die IG Metall will der Problematik mit tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen begegnen. Hofmann kündigte dafür einen langen Atem weit über die nächste Tarifrunde Ende 2017 an. "Es ist kein Kampagnenprojekt für die nächsten 15 Monate und danach ist alles geregelt, sondern es ist eine lang dauernde Fokussierung der IG Metall auf das Thema. Da wird der nächste Gewerkschaftstag 2019 vermutlich erst mal eine Zwischenbilanz ziehen können."

Geplant sind aktuell betriebliche Arbeitszeit-Projekte und eine Neuauflage der zuletzt 2013 durchgeführten IG-Metall- Beschäftigtenumfrage, die das Thema Arbeitszeit verstärkt in den Fokus nehme. Erste konkrete Forderungen würden bereits für die kommende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie vorbereitet. "Wir werden das auf ein oder zwei Themen verdichten müssen, wohlwissend, dass wir dann andere Aspekte zunächst nicht behandeln können."

Keinen Änderungsbedarf sieht der IG-Metall-Chef bei dem von den Arbeitgebern angegriffenen Arbeitszeitgesetz. Es schütze vor Überforderung, regele die notwendigen Pausen und sehr zeitgemäß auch das "Recht auf Abschalten", sagte Hofmann. Er kritisierte das einseitige Streben der Unternehmen nach Flexibilität, die kein Selbstzweck an sich sei. Sehr viel wichtiger sei die Stabilität des Unternehmens in all seinen Beziehungen zu Kunden und Mitarbeitern. Mit einer sinnvollen Nutzung der Digitalisierung könne es auch Entlastungen der Beschäftigten geben.

Nach gewerkschaftlicher Einschätzung wird die Schichtarbeit in den Betrieben auch in die Angestelltenbereiche ausgeweitet. Starre, häufig mit falschen technischen Begründungen durchgesetzte Arbeitszeitregeln schafften eine Vielzahl von Problemen bei den Beschäftigten. "Mit Arbeitszeitmodellen, die mehr Selbstbestimmung erlauben, können auch hier viele Alltagsprobleme gelöst werden. So funktioniert auch Gleitzeit in der Produktion. Man muss es nur wollen und verschiedene Lebenslagen abbilden", sagte Hofmann.

Übergreifend verfolgt die IG Metall das Ziel, das Vollzeitarbeitsvolumen für Beschäftigte in besonderen Lebenslagen zumindest zeitweise absenken zu können. Wer Kinder erzieht, Angehörige pflegt oder sich beruflich fortbildet, sollte die Arbeitszeit in einem Korridor zwischen 28 und 35 Stunden wählen können und tarifliche Leistungen zum Lohnausgleich erhalten, schlägt Hofmann vor. Diese Leistungen sollten steuerfrei gestellt und auch keine Abgaben an die Krankenkassen erhoben werden.

Weiter fordert die IG Metall einen Grundzuschuss durch den Gesetzgeber. Ein Verweis auf Teilzeitmodelle sei für die meisten Beschäftigten nicht attraktiv, weil sie zu Recht befürchteten, dort von beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten abgehängt zu werden. (jk)