Warum Intel bei Quantencomputern auf Silizium setzt

Dank der merkwürdigen Phänomene der Quantenmechanik sollen auf ihr basierende Computer bestimmte Probleme extrem schnell lösen. Fast alle Forschungsgruppen setzen dabei supraleitende Materialien ein – aber Intel versucht es mit Silizium.

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Von
  • Tom Simonite
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Manchmal hatte man die Lösung für ein Problem eigentlich schon die ganze Zeit vor Augen. Der Chiphersteller Intel setzt darauf, dass genau das beim Rennen um den Bau von Quantencomputern der Fall sein wird, bei Maschinen also, die auf der Grundlage der Merkwürdigkeiten der Quantenmechanik enorme Rechenleistungen erreichen.

Auch die Konkurrenten IBM, Microsoft und Google arbeiten an Quantentechnik, die ganz anders funktioniert als die Chips in heutigen Computern. Intel aber will dafür das Arbeitspferd der normalen Rechner von heute anpassen – Silizium-Transistoren.

Ein Team von Intel-Ingenieuren aus Portland im US-Bundesstaat Oregon arbeitet dafür derzeit mit Forschern am QuTech-Quantenforschungszentrum der TU Delft zusammen. Ende 2016 meldete die Gruppe, dass sie jetzt in der Lage sei, Standard-Wafer, wie sie in heutigen Chipfabriken benutzt werden, mit dem ultrareinen Silizium zu beschichten, das für Quantencomputer benötigt wird.

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Die Silizium-Strategie macht Intel zum Außenseiter unter den Unternehmen und Universitäten, die Qubits entwickeln, wie die Grundkomponenten von Quantencomputern genannt werden. Andere Unternehmen können bereits Programmcode auf Chip-Prototypen mit mehreren Qubits ausführen, die aus supraleitenden Schaltkreisen bestehen. Mit Silizium-Qubits ist noch niemand so weit gekommen.

Ein echter Quantencomputer würde Tausende oder Millionen Qubits benötigen, um von breitem Nutzen zu sein. Jim Clarke, der als Direktor Quanten-Hardware das Intel-Projekt leitet, argumentiert, dass sich dieses Ziel mit Silizium-Qubits eher erreichen ließe (wobei das Unternehmen auch an der supraleitenden Variante forscht). Was nach seinen Worten für Silizium spricht, ist das Wissen und die Technik, die derzeit für die Produktion von konventionellen Chips mit Milliarden von identischen Transistoren eingesetzt werden. Dies sei die Grundlage dafür, auch Silizium-Qubits relativ schnell perfektionieren und hochskalieren zu können.

Die Silizium-Qubits von Intel bilden Daten über eine Quanteneigenschaft namens "Spin" eines einzelnen Elektrons ab, das in einer modifizierten Version der Transistoren gefangen ist, wie sie in den heute verkauften Chips des Unternehmens zu finden sind. "Die Hoffnung ist: Wenn wir die besten Transistoren herstellen, dann können wir mit ein paar Material- und Design-Änderungen auch die besten Qubits herstellen", erklärt Clarke.

Ein weiterer Grund für die Arbeit mit Silizium-Qubits ist, dass sie zuverlässiger sein dürften als die supraleitende Variante. Allgemein sind alle Qubits fehleranfällig, weil sie auf der Grundlage von sehr schwachen Quanteneffekten arbeiten.

Der neue Prozess, der Intel dabei hilft, auf normalen Wafern mit Silizium-Qubits zu experimentieren, wurde zusammen mit den Materialspezialisten Urenco und Air Liquide entwickelt. Er dürfte die weitere Forschungsarbeit beschleunigen, sagt Andrew Durzak, der an der University of New South Wales in Australien ebenfalls an Silizium-Qubits forscht. "Um auf hunderte oder tausende Qubits zu kommen, brauchen wir eine ungeheure technische Zuverlässigkeit, und die ist das Wahrzeichen der Halbleiterindustrie", sagt er.

Auch Unternehmen, die supraleitende Qubits entwickeln, setzen dabei traditionelle Methoden der Chipherstellung ein. Doch die so gebaute Technik ist größer als Transistoren, und laut Dzurak gibt es noch keine Vorlage dafür, wie man sie in größeren Zahlen produzieren und integrieren könnte.

Chad Rigetti ist Gründer und CEO von Rigetti Computing, einem Start-up im Bereich supraleitender Qubits ähnlich wie bei Google und IBM. Er räumt ein, dass die Skalierung eine Herausforderung darstellt. Allerdings sei der Vorsprung der von ihm verfolgten Technologie so groß, dass reichlich Zeit und Ressourcen blieben, um die Probleme in den Griff zu bekommen.

Sowohl Google als auch Rigetti haben angekündigt, möglicherweise schon in wenigen Jahren Quantencomputer mit einigen zehn oder hundert Qubits bauen zu können, die bei bestimmten Aufgaben weitaus bessere Leistungen zeigen als konventionelle Computer. Nützlich könnten sie zum Beispiel bei Problemen in der Chemie oder bei Maschinenlernen sein.

(sma)