CES

Der Kampf gegen das Kabel: Drei Wireless-Systeme für Virtual Reality ausprobiert

Das Kabel ist einer der größten Nerv-Faktoren aktueller Virtual-Reality-Headsets - aber latenzarme Drahtlos-Übertragung scheint schwieriger als man denkt. Wir haben auf der CES drei Nachrüst-Kits ausprobiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 22 Kommentare lesen
Der Kampf gegen das Kabel: Drei Wireless-Systeme für Virtual Reality ausprobiert
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

Das Rennen um das beste, günstigste und am schnellsten verfügbare Virtual-Reality-Drahtlos-Übertragungssystem auf der CES fällt sehr international aus: Entwickler aus China (TPCast), Australien (IMR Mach 2-K), Ukraine (Sixa Rivvr) und den USA (KwikVR und DisplayLink VR) präsentieren auf der CES ihre Fortschritte. Es ist absehbar: Die im letzten Jahr angekündigten und zum Teil noch nicht einmal erhältlichen Rucksack-PCs werden bald überflüssig sein.

Bei TPCast sitzt der Empfänger auf dem Kopf.

(Bild: heise online / Jan-Keno Janssen)

Das wohl populärste Wireless-System wurde im Rahmen des Vive-X-Inkubators des Headset-Hersteller HTC entwickelt. Deshalb funktioniert es auch nur mit der HTC Vive, die Oculus Rift wird aktuell nicht unterstützt. Das System arbeitet mit einem Empfänger, der oben auf dem Vive-Kopfband angebracht wird, und einem Sender, der im Rechner steckt. TPCast funkt im 60-GHz-Bereich, es ist allerdings unklar, ob der offizielle WiGig-Standard der WiFi Alliance verwendet wird oder eine proprietäre Technik zum Einsatz kommt.

In der Praxis funktionierte TPCast besser als erwartet: Wir konnten im Vergleich zu einer Kabel-Vive keine zusätzliche Latenz spüren – der Hersteller spricht von 2 Millisekunden. Kompressionsartefakte waren ebenfalls nicht zu sehen. Auf die Frage, was für eine Kompression zum Einsatz kommt, antwortete ein TPCast-Sprecher lediglich: "Sehen sie eine Kompression?" Allerdings störten uns in unregelmäßigen Abständen kurze Ruckler – die allerdings auch mit einer verkabelten Vive manchmal auftreten und mit Interferenzen zu tun haben könnten; im Test-Raum waren etliche andere Vive-Systeme installiert.

Zusätzlich zum recht klobigen Empfänger auf dem Kopfband mussten wir beim Probelauf einen Akkupack in die Hosentasche stecken, ganz ohne Kabelsalat kommt TPCast also nicht aus. Auf der CES war lediglich der kleine Akkupack mit zwei Stunden Laufzeit im Einsatz, es soll aber künftig auch eine Variante für fünf Stunden geben.

TPCast ist zurzeit nur in China für rund 200 Euro vorbestellbar, soll aber noch im ersten Quartal 2017 auch in Europa orderbar sein. Geplante Auslieferung ist im zweiten Quartal.

Die IMR-Lösung durften wir nur stationär installiert ausprobieren.

(Bild: heise online / Jan-Keno Janssen)

Noch deutlich unfertiger wirkt die Wireless-Lösung des australischen Entwicklers Immersive Robotics (IMR): Ausprobieren durften wir lediglich ein Demo-System, bei dem Sender und Empfänger nebeneinander auf einem Tisch lagen – dabei interessierte uns natürlich, wie sich die Übertragung bei schnellen Körperbewegungen und -drehungen verhält. Das IMR-System arbeitet mit den Standards 802.11ac und WiGig, nutzt aber eine starke proprietäre Kompression, die die Datenmenge laut eigenen Angaben um 95% reduziert und die Latenz lediglich um eine Millisekunde erhöht. Die Bildqualität soll sich dabei nicht sichtbar verschlechtern.

Das können wir nicht bestätigen: Bei der Demo auf der CES mit "The Blu: Whale Encounter" sahen Farbverläufe, die von einer verkabelten Brille glatt dargestellt werden, auf einmal stark gerastert aus – die schlechtere Bildqualität war deutlich zu erkennen. In Sachen Latenz stimmen die Hersteller-Aussagen aber offenbar, zumindest nahmen wir keine Verzögerung wahr.

Neben einer Version für Endanwender (Mach 2-K) soll es auch eine Variante für VR-Arcades geben, die mit mehreren VR-Headsets in einem Raum zurechtkommt. Außerdem ist eine OEM-Version geplant, die 4K-Auflösung pro Auge mit 120 Hz übertragen kann. Die Consumer-Version arbeitet bislang nur mit der HTC Vive zusammen. Details zu Erscheinungstermin und Preis gab es noch nicht.

Der Rivvr-Empfänger wird entweder am Hinterkopf oder in der Hosentasche getragen.

(Bild: heise online / Jan-Keno Janssen)

Die Newcomer aus der Ukraine werben damit, dass sie von Anfang an nicht nur HTC Vive, sondern auch Oculus Rift unterstützen. Ärgerlich nur, dass mit Rivvr kein echtes VR-Gefühl aufkommt: Kopfbewegungen fühlen sich damit an, als befände man sich unter Wasser – offenbar liegt die Gesamtlatenz über der magischen 20-Millisekunden-Grenze. Die Entwickler sprechen von einer zusätzlichen Latenz von weniger als 11 ms. An der Bildqualität hatten wir jedoch anders als bei IMR nichts auszusetzen. Faszinierend: Der VR-Rechner im Sixa-Demoraum war lediglich via Ethernet-Kabel mit einem 802.11ac-Standardrouter verbunden, es kommt also kein zusätzlicher Transmitter zum Einsatz.

Das Rivvr-Empfangssystem kann man wahlweise am Headset anbringen (das zusätzliche Gewicht spürten wir in unserem Testlauf deutlich) oder per Kabel in die Hosentasche stecken. Sixa will ab diesem Wochenende Vorbestellungen entgegennehmen, geplante Auslieferung ist im Frühling. Kostenpunkt: 200 US-Dollar. (jkj)