Meinung: Reparatur ist kein Verbrechen

Warum Tüftler gegen Copyright-Gesetze der US-Regierung klagen.

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Von
  • Kyle Wiens

Andrew "Bunnie" Huang – ein "gutartiger" Hacker und Erfinder – kündigte im Juli 2016 an, er habe sich mit der Electronic Frontier Foundation zusammengetan, um die US-Regierung zu verklagen. Grund: Er hält den "Digital Millennium Copyright Act" (DMCA) für verfassungswidrig; das Gesetz ersticke die Meinungsfreiheit, behindere die kreative Entfaltung und hemme den Fortschritt.

Ein Kommentar von Kyle Wiens

(Bild: 

iFixit

)

Kyle Wiens ist CEO der Reparaturplattform iFixit. Seiner Kampagne für das Recht auf Reparatur gelang es unter anderem, die Entfernung der SIM-Lock bei Smartphones zu legalisieren.

Ich kann nur sagen: Es wurde verdammt noch mal Zeit. Der DMCA trägt zwar "digital" und "Millennium" im Namen, verträgt sich aber nicht mit der Art, wie moderne Technik funktioniert. Ich erlebte das aus erster Hand, als mich ein befreundeter Landwirt bat, ihm bei der Reparatur seines Traktors zu helfen. Es stellte sich als viel schwieriger als gedacht heraus – aber aus juristischen, nicht aus technischen Gründen. Ein Hindernis führte zum nächsten, und schließlich reichten wir letztes Jahr eine Petition beim US Copyright Office ein, mit der Bitte, Farmern die Reparatur ihrer eigenen Traktoren zu erlauben.

Ich bin kein Urheberrechtsanwalt. Ich bin Reparaturtechniker und betreibe eine Online-Community namens iFixit, die anderen Menschen beibringt, ihre eigenen Geräte zu reparieren. Das Urheberrecht sollte in meinem Leben eigentlich so gut wie keine Rolle spielen. Doch dank des DMCA spielte es sogar eine große. Unternehmen manipulieren das Gesetz, um Aktivitäten zu kriminalisieren, die absolut nichts mit dem Urheberrecht zu tun haben – unter anderem Reparaturen.

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Der vor fast zwei Jahrzehnten verabschiedete DMCA reguliert den Raum, in dem traditionelles Urheberrecht und moderne Technik aufeinanderstoßen. Damals, 1998, wollte der amerikanische Kongress furchterregende Hackertypen davon abhalten, sich – mithilfe dieses neumodischen Internets – raubkopierte Filme direkt in die Augäpfel zu spritzen. Deshalb fügten die Parlamentarier dem neuen Gesetz eine Anti-Umgehungsklausel (Paragraph 1201) hinzu, die das Aufbrechen jener digitalen Schlösser – wie DRM oder Verschlüsselung – verbietet, die urheberrechtlich relevante Inhalte schützen.

Natürlich hat sich seit 1998 vieles verändert. Und sofern die unzähligen illegalen Möglichkeiten, "Game of Thrones" zu streamen, als Anhaltspunkt taugen, hat Paragraph 1201 in keiner Weise dazu beigetragen, Film-Piraterie zu stoppen. Stattdessen gab er Herstellern zusätzliche juristische Optionen, die Verwendung ihrer Produkte mit eiserner Hand zu kontrollieren.

Genau wie Filme und Musik unterliegt Software dem Copyright. Und darin liegt die Quelle des DMCA-Elends, denn Software findet sich in praktisch jedem modernen Produkt, von Barbie-Puppen über Rechner bis hin zu Motorrädern und Traktoren. Möchte ein Unternehmen Kunden hindern, Algorithmen nachzuverfolgen, Fehler zu suchen oder Funktionen umzuprogrammieren, braucht es lediglich ein digitales Vorhängeschloss anzubringen. Wer die digitale Sperre aus irgendeinem Grund umgeht – und sei es nur zwecks Reparatur oder Backup eines legal erworbenen Geräts –, macht sich zum Cyber-Kriminellen.

Doch zurück zu meiner Geschichte. Dieser Freund, ein in Kalifornien ansässiger Erdbeerfarmer, sprach mich vor ein paar Jahren an, weil er Probleme mit der Reparatur seiner neuen Landmaschinen hatte. Trat ein Fehler auf, musste er jedes Mal einen vom Hersteller autorisierten Reparaturtechniker einfliegen lassen, der Zugriff auf die proprietäre Diagnosesoftware hatte. Wollte er selbst reparieren, musste mein Freund seinen eigenen Traktor hacken, was gegen das Gesetz verstößt.

Das gefiel mir gar nicht. Und so rekrutierte ich eine Rechtshilfestelle der University of Southern California, um dem Copyright Office klarzumachen, dass Farmer in der Lage sein sollten, ihre Traktoren zu reparieren. Das Hin und Her dauerte fast ein Jahr, aber am Ende entschied die Behörde, dass Farmer und Autobesitzer digitale Sperren zwecks Reparatur umgehen dürfen.

Das war ein Sieg. Aber er geht nicht weit genug. Das Thema hat über Traktoren und Autos hinaus Bedeutung. Jeden Tag kommen Tausende von Produkten auf den Markt. Immer mehr werden mit Embedded-Software ausgestattet. Zwangsläufig versagen einige von ihnen früher oder später, und die Menschen möchten sie reparieren. Wie der, der ein defektes Mikrofon am Logopädie-System seiner Frau verarzten wollte. Oder die, die das DVD-Laufwerk ihrer Xbox ersetzen möchten. Nach Paragraph 1201 könnten alle Reparaturen, die Zugang zur Programmierung des Produkts erfordern, gegen das Gesetz verstoßen.

Auch meine Firma iFixit stößt immer wieder auf derartige Probleme. Wir verkaufen Xbox-Reparaturteile, doch wir müssen unnötigerweise Ersatzlaufwerke und Hauptplatinen paarweise gebündelt anbieten, weil sie per Verschlüsselung verknüpft sind. Mithilfe einer von Bunnie entwickelten Technik könnten wir sie einzeln verkaufen und die Reparaturkosten halbieren, aber letztes Jahr wies das Copyright Office unseren Wunsch ab, diese Praxis zu legalisieren.

Reparatur ist kein Verbrechen. Niemand sollte das Copyright Office um Erlaubnis fragen müssen, um Fehler an eigenen Geräten zu beheben. Niemand sollte für das Überprüfen des Codes eines Geräts verklagt werden, das er gekauft hat. Und niemand sollte eine Gefängnisstrafe riskieren, weil er die Dreistigkeit besitzt, seinen Traktor ohne Segen des Herstellers zu reparieren.

Solange das aber doch droht, ist nicht nur der Traktor fehlerhaft. Amerikas Urheberrechtsgesetze sind es auch. Und es wird verdammt noch mal Zeit, dass jemand versucht, sie zu reparieren. Der Hacker und Erfinder Bunnie ist vielleicht nicht der Held, den unser dysfunktionales Copyright-System verdient, aber er ist ganz sicher der Held, den wir brauchen. Und der Kampf seines Lebens hat gerade begonnen. (bsc)