Verfassungsbeschwerde gegen Anti-Whistleblower-Gesetz

Bürgerrechtler und Journalisten, darunter Redakteure von c't und heise online, klagen beim Bundesverfassungsgericht gegen den Datenhehlerei-Paragrafen. Dieser stellt den Umgang mit "geleakten" Daten unter Strafe.

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Verfassungsbeschwerde gegen Anti-Whistleblower-Gesetz

Pressekonferenz zur Verfassungsbeschwerde in den Räumen von Reporter ohne Grenzen

(Bild: heise online)

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Inhaltsverzeichnis

Ein Bündnis von Bürgerrechts-Organisationen und Journalisten, unter anderem von c't und heise online, klagt beim Bundesverfassungsgericht gegen den neuen "Datenhehlerei"-Paragrafen. Die Regelung stelle den Umgang mit "geleakten" Daten unter Strafe, ohne für angemessenen Schutz der Presse zu sorgen, erklärte das Bündnis heute in Berlin. Damit kriminalisiere sie einen wichtigen Teil der Arbeit investigativer Journalisten und Blogger sowie ihrer Informanten und Helfer.

Der neue Straftatbestand der "Datenhehlerei" ist zusammen mit den Gesetzesänderungen für die Vorratsdatenspeicherung im Dezember 2015 in Kraft getreten. Er stellt den Umgang mit Daten unter Strafe, die jemand zuvor rechtswidrig erworben hat. Es drohen bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe.

Zwar hat der Gesetzgeber Ausnahmen für Journalisten eingebaut, diese seien jedoch "viel zu eng und zudem schlampig formuliert", monieren die Beschwerdeführer. Diese Ausnahmen gelten dem neuen Paragrafen 202d StGB zufolge für Handlungen, die "ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen". Dazu zählt das Gesetz insbesondere Handlungen "berufsmäßiger" Journalisten. Die Ausnahmen schließen nebenberufliche Journalisten ebensowenig ein wie Berufsjournalisten, die auch aus privatem Interesse handeln. Auch Blogger sind nach Ansicht der Beschwerdeführer nicht hinreichend erfasst.

Noch unzureichender sei der Schutz für externe Experten, die von Journalisten zu Rate gezogen werden. Insbesondere bei der Sichtung und Bewertung geleakter Daten ist dies oft notwendig: Hier greifen Presseleute etwa auf die Expertise von Anwälten oder IT-Fachleuten zurück, um das Material richtig einschätzen zu können. Auch solche Hilfspersonen seien von der Ausnahme in Paragraf 202d nicht umfasst und riskieren damit Strafbarkeit wegen "Datenhehlerei".

Durch seine schlampige Formulierung schaffe das Gesetz ein strafrechtliches Minenfeld für Whistleblower, investigativ arbeitende Journalisten und deren Helfer, kritisieren die Beschwerdeführer. Die einschüchternde Wirkung greife schon, bevor es zu konkreten Recherchen komme. Allein die Möglichkeit von Durchsuchungen und Beschlagnahmen führe dazu, dass Informationsquellen für Journalisten versiegen und dass die Arbeit mit zugespielten Informationen erschwert werde.

Die Verfassungsbeschwerde richte sich daher gegen Verletzungen der Presse- und Rundfunkfreiheit, des allgemeinen Gleichheitsgebots, der Freiheit der Berufsausübung und des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes.

Organisiert wurde die Klage von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Der Verein sieht sich als "Rechtsschutzversicherung unseres Grundgesetzes". Zusammen mit Betroffenen will er Grundsatzurteile erwirken, "die das deutsche und europäische Recht menschlicher und gerechter machen".

Unter den klagenden Journalisten und Bloggern sind die c't-Redakteure Holger Bleich und Jürgen Schmidt. Ihre Arbeit als Mitglieder des Investigativ-Teams der heise-Redaktionen wird direkt von dem "Datenhehlerei"-Paragrafen beeinflusst. Außerdem klagen etwa die netzpolitik.org-Redakteure Markus Beckedahl und Andre Meister, die Investigativjournalisten Peter Hornung (Panama Papers) und Hajo Seppelt (Olympia-Doping) sowie "Reporter ohne Grenzen".

Johannes Endres, Chefredakteur von c't und heise online, begrüßt das Vorgehen gegen den "Datenhehlerei"-Paragrafen: "Wir unterstützen diese Klage, weil der Paragraf in seiner aktuellen Form die Pressefreiheit angreift. Er schränkt die Möglichkeiten ein, im Interesse der Öffentlichkeit Missstände aufzudecken."

Die Beschwerde wurde am 16. Dezember 2016 von der Berliner Jura-Professorin Katharina de la Durantaye sowie dem Kölner Strafverteidiger Nikolaos Gazeas beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der erste Senat führt sie mittlerweile unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2821/16.

Der Verein Reporter ohne Grenzen hat auf seiner Webseite eine Online-Petition veröffentlicht, mit der Interessierte ihre Unterstützung für die Verfassungsbeschwerde bekunden können. (cwo)