US-Regulierer über Netzneutralität: "Wo brennt's?"

Ein Plädoyer für Netzneutralität legte Tom Wheeler, scheidender Chef des US-Regulierungsamts FCC, in seiner Abschiedsrede ab: Die Provider investierten und verzeichneten Rekordumsätze und Aktien-Höchstkurse. Die Republikaner sind gegen Netzneutralität.

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FCC-Chairman Tom Wheeler

FCC-Vorsitzender Tom Wheeler auf der CES 2015. Damals verriet er Details zur Open-Internet-Verordnung der FCC.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Mit dem Machtwechsel im Weißen Haus werden Tausende Regierungsposten neu besetzt, darunter auch die Chefposten der großen Regulierungsbehörden. Tom Wheeler, scheidender Vorsitzender der Telecom-Regulierungsbehörde FCC, listete in seiner letzten öffentlichen Rede die größten Erfolge seiner Amtszeit auf. Vor allem aber verteidigte er die 2015 verfügten Drei Gebote der Netzneutralität.

Die Open-Internet-Verordnung der FCC aus dem Februar 2015 verbietet Websperren, untersagt Throttling und schließt bezahlte Priorisierung aus. Die Republikaner waren gegen die Netzneutralität, oder zumindest gegen Netzneutralität in dieser Form. Der zukünftige US-Präsident Donald Trump hatte sich bereits davor, 2014, in einem Tweet ebenfalls negativ über Netzneutralität geäußert.

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Netzneutralität

Netzneutralität bedeutet, dass Inhalte im Internet gleichberechtigt ihren Weg finden. Vor allem Provider und Carrier wollen aber beispielsweise für Videos extra zu bezahlende Überholspuren einbauen. Für User entstünde ohne Netzneutralität ein Zweiklassen-Internet.

In Zukunft wird die FCC eine republikanische Mehrheit mit republikanischem Vorsitzenden haben. Die neue FCC könnte versuchen, die Open-Internet-Verordnung aufzuheben, oder durch Re-Interpretation zu unterminieren. Letzteres wäre der Weg des geringsten Widerstands. Auch das US-Parlament könnte die Netzneutralität durch ein Gesetz abschaffen oder so definieren, dass sie ins Leere läuft.

"Wo ist das Feuer?", fragte Wheeler in seiner Rede rhetorisch, "Was ist passiert seit die Open-Internet-Vorschriften erlassen wurden, das das Herausreißen der Regeln rechtfertigen würde? […] Die Investitionen in die Netze sind gestiegen, die Investitionen in innovative Dienste sind gestiegen, und die Umsätze der Provider und deren Aktienkurse sind auf Rekordniveau. Also, wo ist das Feuer?" Will sagen: Wenn es kein Feuer gibt, muss auch nichts gelöscht werden. Die Netzneutralität wirke positiv und solle beibehalten werden.

Rechtlich könnte die FCC die Open-Internet-Verordnung nicht einfach so abschaffen, meinte Wheeler. Sie müsste gravierende Veränderungen der Situation in den letzten zwei Jahren belegen, die eine Aufhebung rechtfertigten. Das Parlament hingegen müsse das nicht und könne die "offenen Netzwerke wegnehmen".

Aus Wheelers Sicht werden offene, diskriminierungsfreie Netze immer wichtiger. "Das wissen wir über die Zukunft: Alles wird vernetzt sein und Signale senden. Es wird radikal anders sein als das Internet wie wir es heute verstehen." Bisher werde das Internet zum Zugriff auf Information sowie zur Übertragung von Video genutzt. Die wahre Revolution komme mit der nächsten Stufe der Internetentwicklung.

"Wenn ISP aussuchen dürfen, welche Anwendungen und Clouds besser funktionieren als andere hinsichtlich Zugriffsgeschwindigkeit und Latenz, dann werden [die Internetprovider (ISP)] die Zukunft kontrollieren", warnte Wheeler. Auch das Internet der Dinge (IoT) brauche offene Netze zur Verbindung der Dinge.

EU-Datenschutz ist US-Konzernen der Gottseibeiuns.

(Bild: Håkan Dahlström CC BY 2.0)

Darüber hinaus würde eine Abschaffung der Open-Internet-Verordnung auch den von der FCC erlassenen Datenschutzregeln die juristische Grundlage entziehen. "Und tatsächlich haben die Republikaner die jüngst erlassene Datenschutzverordnung für eine Aufhebung im Visier." Sollte das gelingen, drohten US-Unternehmen den Schutz des mit der EU vereinbarten Privacy Shield zu verlieren. "Das Resultat wäre die Regulierung amerikanischer Unternehmen unter der Datenschutzregeln der Europäischen Union", malte Wheeler eine für sein US-Publikum furchtbare Horrorvision an die Wand.

Wheeler wurde von US-Präsident Barack Obama nominiert und im November 2013 vom US-Senat bestätigt. Damit folgte Wheeler Julius Genachowski im Amt des FCC-Vorsitzenden nach. Als größte Erfolge seiner gut dreijährigen Amtszeit nannte Wheeler Subventionen für den Breitbandausbau sowie für günstigere Internetzugänge für Arme, mehr Breitbandzugänge für Bildungszwecke, sowie bessere Telekommunikationsanwendungen insbesondere für Menschen mit Behinderungen.

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Außerdem erwähnte er die zusätzliche Frequenznutzungsrechte für Mobilfunk, die "Entmutigung" der Fusionen der Kabelnetzbetreiber Comcast und Time Warner Cable sowie der Mobilfunker T-Mobile und Sprint an. "Als die Behörde, die für die Netze Amerikas verantwortlich ist, haben wir Internetsicherheit zur primären Mission der FCC gemacht", sagte Wheeler, "Wir haben Datenschutz eingeführt und Verbrauchern Kontrolle darüber verschafft, wie ihre Provider persönliche Daten nutzen und weitergeben. Und natürlich haben wir starke Regeln für Netzneutralität erlassen, die das offene Internet als Plattform für freie Äußerung und Innovation erhalten."

Wheelers Nachfolger ist noch nicht bekannt. Ab Donnerstag wird die FCC nur noch drei statt der üblichen fünf Mitglieder haben – zwei Republikaner und eine Demokratin. Die Amtszeit der zweiten Demokratin, Jessica Rosenworcel, ist bereits vor über eineinhalb Jahren ausgelaufen. Obama hat Rosenworcel für eine weitere Amtszeit nominiert, doch der republikanisch dominierte US-Senat hat auch dieser Nominierung die Bestätigung verweigert. Maximal drei der fünf Mitglieder dürfen der selben politischen Partei angehören.

(ds)