"Data Science ist immer Teamsport"

Wie sieht es mit dem Potenzial von Big Data und Data Science aus? Was sind hier die langfristigen Trends? Antworten vom in der Big-Data-Szene umtriebigen Klaas Wilhelm Bollhöfer.

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"Data Science ist immer Teamsport"
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Alexander Neumann
Inhaltsverzeichnis

heise Developer: Lange erschien Big Data vor allem als Hype, auf den sich Tool-Hersteller und Marketing-Experten stürzten. Das hat sich glücklicherweise geändert. Sie haben das von Beginn an mitverfolgen können ...

Klaas Wilhelm Bollhöfer: Ich bin jetzt wirklich schon einige Zeit dabei. Als vor einigen Jahren auch in Deutschland der Begriff "Big Data" allmählich auf fruchtbaren Boden fiel, erste innovative Unternehmen begannen, hatte ich meine ersten Berührungspunkte. Ursprünglich aus dem Bereich der digitalen Medien und der Online-Agenturwelt kommend, geerdet im klassischen Ingenieursstudium, hatte ich begonnen, meine programmatischen und mathematischen Grundlagen mit dem Business- und vor allem Design-Denken aus der Internet-Ära zu kombinieren. Dass sich diese Mischung von Skills irgendwann Data Science nennen würde, war – mir zumindest – zu dem Zeitpunkt nicht klar.

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Klaas Wilhem Bollhöfer

ist ist Chief Data Scientist bei The unbelievable Machine Company (*um), einem Dienstleister für Cloud Computing und Big Data aus Berlin. Außerdem ist und war er in die Organisation des Data Science Day (DSDay) und der Big Data Week in Berlin involviert.

Das Interview wurde bereits im Frühjahr 2015 für ein Big-Data-Sonderheft geführt hat, die getroffenen Aussagen haben aber nach Meinung der Redaktion immer noch eine hohe Relevanz.

Seitdem ist einiges passiert. Nach dem großen Hype und den großen Erwartungen an neue datenbetriebene Geschäftsmodelle, neuartige Datenlösungen und disruptive Marktverschiebungen ist aber erstaunlicherweise keine Ernüchterung eingetreten. Im Gegenteil – seit einiger Zeit kommt nun wirklich Bewegung in den Markt hierzulande. Die Budgets scheinen allokiert, Fördertöpfe von EU und Bund ausgeschüttet, die Use- und/oder Business Cases eruiert, der Blick auf die nächsten Jahre ist vorausgeworfen, ein guter Teil der doch recht steilen Lernkurve wurde beschritten. Big Data ist da. Und was viel wichtiger ist: Big Data bleibt.

heise Developer: Obgleich Big Data also auch hierzulande angekommen ist, erscheint es trotzdem so, dass noch immer vor allem US-amerikanische Start-ups das Thema mehr für sich besetzt hätten …

Bollhöfer: Seit einiger Zeit zeichnet sich in Europa ein weiterer, sehr spannender Entwicklungsschritt ab – Industrie 4.0. Anfangs noch müde belächelt, zumindest in der eingefleischten Big-Data-Community, wird Industrie 4.0 als "das europäische Big-Data-Vehikel" genutzt, um nicht zuletzt auch als trojanisches Pferd der Markt- und Technologiemacht der Amerikaner bei Big Data einen Gutteil abzutrotzen.

Was jedoch viel entscheidender ist: Die letzten Jahre wurden intensiv genutzt, um das eigene Know-how und einen ersten unternehmensrelevanten und vor allem -spezifischen Erfahrungsschatz aufzubauen. Es ist nicht so, dass die Unternehmen jahrelang untätig waren, sich auf Konferenzen haben berieseln lassen und mehrheitlich das Thema Big Data als Modeerscheinung abgetan hätten. Big Data wurde und wird sehr ernst genommen.

heise Developer: Fehlt der deutschen IT-Szene trotzdem noch etwas?

Bollhöfer: Neben all der Planung und "Ernsthaftigkeit" kommt der Spaß zu kurz. Es ist ungemein notwendig, dass jeder, der sich heute (aber vor allem morgen) mit Daten beschäftigen soll, wird oder muss, mehr über Daten und Big Data in all seinen Facetten lernt. Und das idealerweise selbstmotiviert, spielerisch und ergebnisoffen ohne den etablierten "Druck" üblicher Ablauf- und Aufbauorganisationen. Big Data ist eine Art "infinite game", das uns jeden zu jedem Zeitpunkt auffordert zu lernen, zu denken, Entscheidungen zu fällen und (egal wie) voranzuschreiten. Deshalb ist für mich Big Data auch letztlich ein organisatorisches, wenn nicht gar ein Design-Thema.

heise Developer: Im Zusammenhang mit Big Data fallen häufig die Stichworte NoSQL, Spark und Hadoop. Ist damit schon alles gesagt?

Bollhöfer: Auf keinen Fall! Big Data ist weit mehr als Technologie, und Big Data ist auch mehr als drei, vier oder siebzehn Vs [Volume, Velocity, Variety, Red.]. Hadoop oder NoSQL oder was auch immer für "latest hot shit technologies": Es geht um Prozesse und Verfahren, Techniken, Menschen und nicht zuletzt Design – ohne Gewichtung in der Reihenfolge. Es geht um die ganzheitliche und nachhaltige Wertschöpfungskette rund um Daten in aller Vielfalt. Aus diesem Grund gehe ich stark davon aus, dass der Begriff Big Data in der Form verschwinden wird und wir in Zukunft nur noch von "Data" sprechen, bitte nicht von Smart Data, Intelligent Data, Ambient Data oder Quokka Data.