New York: Nun doch Schuldspruch wegen Code-Klau bei Goldman Sachs

Ein scheidender Goldman-Sachs-Mitarbeiter hatte Software-Code kopiert und mitgenommen. Nach einem Jahr Haft wurde er von einem US-Bundesberufungsgericht freigesprochen. Daraufhin wurde er im Bundesstaat New York angeklagt und nun schuldig gesprochen.

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Klassizistische Fassade

Nach zwei Freisprüchen und acht Millionen Dollar Verteidigungskosten soll ein ehemaliger Goldman-Sachs-Mitarbeiter nun doch ins Gefängnis.

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Am Ende seiner Beschäftigung bei Goldman Sachs hatte Sergey Aleynikov Teile einer Software für High Frequency Trading (HFT) auf einen Server in Deutschland und später von dort auf private Geräte kopiert. Dafür wurde er von einem US-Bundesgericht zu mehr als acht Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Nach einem Jahr Gefängnis wurde Aleynikov vom Bundesberufungsgericht freigesprochen und freigelassen. Doch klagte ihn die Staatsanwaltschaft des US-Bundesstaates New York an. Mit Erfolg. Dem Mann droht erneut gesiebte Luft.

Fassade des Gebäudes der Berufungsabteilung des Supreme Court im New York County. Es ist nicht das höchste Gericht des Staates New York.

(Bild: wallyg CC BY 2.0)

Grundsätzlich dürfen Personen nicht zweimal wegen des selben Vergehens angeklagt werden. Doch die ursprüngliche Anklage vor den Bundesgerichten hatte auf Transport von Gestohlenem, Wirtschaftsspionage und nicht autorisiertem Zugriff auf Computersysteme gelautet. New York erhob Anklage wegen "unrechtmäßigen Gebrauchs geheimen wissenschaftlichen Materials" sowie "unrechtmäßiger Vervielfältigung von computerbezogenem Material". Das inkriminierte Verhalten des erneut Angeklagten aus dem Juni 2009 war exakt dasselbe, der behauptete strafrechtliche Tatbestand aber ein anderer.

Die New Yorker Geschworenen verurteilten Aleynikov wegen unrechtmäßigen Gebrauchs geheimen wissenschaftlichen Materials, aber der vorsitzende Richter hob diese Entscheidung wegen Rechtsirrtums auf. Das New Yorker Strafrecht stellt auf körperliche Vervielfältigung ab [tangible reproduction or representation], doch Aleynikov hatte nur Softwarecode übertragen. Darin erblickte der erstinstanzliche Richter keine körperliche Vervielfältigung.

Die Staatsanwaltschaft berief und hat sich nun vor dem vom New Yorker Berufungsgericht durchgesetzt: Der Code sei auf eine andere Festplatte kopiert worden und diese sei körperlich: "Die relevante Frage ist nicht, ob der Source Code selbst körperlich [tangible] war, sondern ob der Angeklagte eine körperliche [tangible] Vervielfältigung gemacht hat, was er unzweifelhaft getan hat, als er ihn auf die 'körperliche' [physical] Festplatte des Servers kopiert hat, wo er 'körperlichen Raum' [physical space] eingenommen hat und 'körperlich vorhanden' [physically present] war", schreiben die fünf Richter in der Begründung ihres einstimmigen Urteils [Anführungszeichen im Original, Anmerkung].

"Die anscheinende Sichtweise des [Gerichts der ersten Instanz], dass der Source Code auf Papier ausgedruckt hätte werden müssen, um als körperlich zu gelten, steht im Widerspruch zum Text des Gesetzes", heißt es weiter, "Die Tatsache, dass der Angeklagte die Kopie auf eine physische Festplatte anstatt auf Papier gemacht hat, macht keinen Unterschied. Beide sind körperlich im Sinne […] des Gesetzes."

Das Delikt erfordert außerdem, dass der Täter die Absicht [intent] hatte, sich oder anderen das geheime wissenschaftliche Material zuzueignen. Der Angeklagte hatte angegeben, nur Open Source Code kopiert haben zu wollen, und den proprietären Code irrtümlich mit erwischt zu haben. Der Richter der ersten Instanz meinte, die Anklage haben Aleynikovs Absicht nicht bewiesen. Auch darüber gelangten die Berufungsrichter zur gegenteiligen Auffassung.

Das Strafmaß ist noch nicht festgesetzt. Aleynikov kann noch versuchen, beim übergeordneten Berufungsgericht (Court of Appeals) einen neuerlichen Freispruch zu erwirken – wenn er es sich leisten kann. Die wiederholte Strafverteidigung soll ihn bereits acht Millionen US-Dollar gekostet haben.

Das New Yorker Strafverfahren heißt People v Aleynikov und ist am First Department der Appellate Division des New Yorker Supreme Court im New York County unter Az. 4447/12 anhängig. Das bundesgerichtliche Verfahren hieß US vs Sergey Aleynikov und wurde 2012 vom US Court of Appeals for the Second Circuit unter Az. 11-1126 entschieden. (ds)