Pro & Contra: Geht die iCloud zu weit?

Apple lagert immer mehr Daten und Funktionen in die iCloud aus. Ist das richtig so oder eher bedenklich?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Immo Junghärtchen

Artikel aus Mac & i Heft 1/2017, Seite 7

Ben Schwan meint: Apple sollte lieber an der Stabilität der iCloud werkeln, anstatt unausgegorene Funktionen am Anwender zu testen.

Die iCloud macht mir Angst. Welche Daten wo liegen, wann sie synchronisiert werden und warum manchmal nicht, erschließt sich nicht. Kontakte und Kalender sind zu oft unterschiedlich. Manchmal hängt der Dienst einfach, ohne dass Apple das auf den eigens eingerichteten Hinweisseiten zugibt.

Die Funktion "Schreibtisch und Dokumente synchronisieren" in Sierra war ungeschickt implementiert: Viele Nutzer fanden plötzlich ihre wichtigsten Dokumente nicht mehr wieder. Auch wenn das Problem mittlerweile entschärft ist, hat Apple hier leichtsinnig mit dem wichtigsten Gut seiner Kunden gespielt: dem Vertrauen. Durch den Abgleich von Anruflisten erhalten unterschiedliche Nutzer Einblick in sensible Daten, das kann peinlich enden. Wo man ihn deaktiviert, bleibt unklar, und die Lösung ist unbefriedigend: Man muss das iCloud Drive abschalten. Dabei würde ich das eine gerne ohne das andere nutzen wollen. Warum hängt das zusammen?

Und warum bitte fragt Apple Mail nicht nach, bevor jede einzelne meiner Signaturen und jeder einzelne meiner jüngsten Postempfänger auf allen Geräten landet? Das ist kein "it just works", Apple, das ist Willkür. Der Abgleich der iCloud-Fotomediathek hängt häufiger, als dass er flutscht, und wer, wie ich, mehr als nur ein paar Bilder sammelt, stößt zu schnell an die Grenzen. Der seit Jahren unveränderte iCloud-Gratisspeicher, den jeder Apple-ID-Besitzer erhält, ist viel zu klein. 5 GByte sind ein Witz – erst recht für Multimediadateien oder iOS-Backups. Andere Cloud-Anbieter verschenken mehr. Außerdem werden Backups noch immer nicht verschlüsselt.

Kurzum: In der aktuellen Inkarnation ist iCloud nicht durchdacht genug. Meinem 76-jährigen Vater, einem begeisterten Apple-Fan, habe ich abgeraten, den Dienst zu aktivieren. Die wenigen Vorteile, die er erhält, sind den Stress, den er sich möglicherweise einhandelt, nicht wert. (bsc)

Immo Junghärtchen glaubt, dass Apple die Cloud sogar noch weiter vorantreiben sollte – im Sinne der Anwender.

Die Cloud ist wichtig. Wie Anwender ein Betriebssystem bewerten, hängt heutzutage vom Ökosystem ab und davon, wie gut die Synchronisierung funktioniert. Bei Kalendern, Kontakten und Pages-Dateien wechsle ich fliegend vom iPad zum Mac. Safari-Verlauf und Lesezeichen stehen mir auf allen Apple-Rechnern ebenso zur Verfügung wie E-Mail-Konten und -Signaturen. Selbst die Textersetzungen finden den Weg vom Mac zum iPhone: sie dort jeweils selbst anzulegen, wäre extrem nervig. Seit sich auch Notizen, Erinnerungen und Schlüsselbund synchronisieren, kann ich auf diverse Zusatz-Apps verzichten.

Den Abgleich auf Schreibtisch und Dokumente-Ordner auszudehnen, war eine geniale Idee. Für meinen Geschmack sollte Apple auch Dokumentvorlagen, Schriften und Systemeinstellungen zwischen Macs und iOS-Geräten synchronisieren.

Die Web-Apps sind Gold wert, so kann ich unterwegs sogar auf dem Windows-PC beim Kumpel meine Pages-Texte überarbeiten, und ohne den Dienst "iPhone finden" wäre ich aufgeschmissen. Die iCloud ist in meinen Augen die sicherste und zuverlässigste Lösung und hat sich trotz kleinerer Rückschläge mein Vertrauen verdient. Dass der Dienst bei Millionen Anwendern schnell und sicher funktioniert, ist eine schier unglaubliche Leistung. Man sollte auch bedenken: Die iCloud ist eine zusätzliche Datenablage, sie kann und soll das Backup nicht ersetzen. Meine Daten sichere ich weiterhin, die iOS-Geräte via iTunes, die Macs per Time Machine.

Vor allen Dingen hat Apple in den letzten Jahren bewiesen: Jede Innovation ist genau durchdacht und eine immense Bereicherung, wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat. Dafür akzeptiere ich kleinere Startschwierigkeiten bei neuen Features gerne. (imj)

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