4W

Was war. Was wird. Am Anfang war das Chaos, am Ende auch.

Wer schützt unsere guten deutschen Daten, die wir im Schweiße unseres Angesichts mit wahrheitsministerlicher Genehmigung aus deutschem Gemüt gehauen haben? Ach, es ist alles ein Unsinn, barmt Hal Faber, der nicht mehr weiß, wohin auswandern.

vorlesen Druckansicht 31 Kommentare lesen
Unschärfe

Durchblick wäre nicht schlecht. Eine Mauer zwischen Gehirn und KI hilft aber auch nicht. Wie so viele andere Mauern auch.

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Die vornehmste Aufgabe des Menschen ist es, für Entropie zu sorgen. Wir haben die Pflicht zur Unordnung, ach was schreibe ich in diesen trumpatischen Zeiten: Unser innerstes Dekret ist das Chaos. Nur so schlagen wir der künstlichen Intelligenz und ihrem doofen "deep learning" ein Schnippchen. Das hat dieser Tage Oswald Wiener auf einem Kongress in Köln zum Besten gegeben. Dafür wurde er im Feuilleton als Vater des Cyberspaces gefeiert, nicht etwa als Fürsprecher des Menschen. Ob der Austrokanadier das mitbekommen hat? Egal, denn wenn die Künstliche Intelligenz den Durchbruch geschafft hat, ist da immer noch der Mensch, der für Unordnung sorgt. Nichts anderes zeigt das Wimmelbild zur Rise of AI, mit einer Art Grenzzaun zwischen Menschlein und den im Sonnenaufgang strahlenden Türmen neuester Wohnmaschinen. Mit der Eintags-Konferenz soll Deutschland übrigens Europas KI-Standort Nummer Eins werden.

*** In dieser Woche konnte man beobachten, wie kreativ sich die deutsche Politik dem Problem der "alternativen Fakten" angenähert hat, ganz im Sinne der US-amerikanischen Entwicklung. Da haben wir einen Wirtschaftsminister, der mehr Zeit mit seiner Familie verbringen möchte. Das ist ein durchaus verständlicher Wunsch, denken wir nur an den Politiker Gustav Heinemann, der seine Frau liebte, nicht den Staat, fertig. Nun aber ist dieser unser Wirtschaftsminister ein alter Bekannter, der "Siggi Pop" Gabriel. Der will, um mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können, in der Ära Trump mal eben den Außenminister machen. Das ist der Job, den einst der Flying Genschman prägte. Immerhin: Zum Schnelleinstieg braucht Gabriel nicht groß das Land verlassen. Die Münchener Sicherheitskonferenz steht vor der Tür, da kann sich Gabriel mit Bono und Bill Gates treffen. Oder mit dem Brexiter Boris Johnson, der sich in Syrien von der UN durchgeführte Wahlen mit dem Kandidaten Baschar al-Assad vorstellen kann.

*** Vielleicht kommt auch der neue US-amerikanische Kollege Tillerson zu Gabriel, wenn seine Ernennung vom Senat bestätigt wird. Gebraucht wird er nicht, denn Präsident Trump macht die Außenpolitik. Ein Mäuerchen hier, ein Einreiseverbot für Bürger aller muslimischen Staaten, in denen kein Trump-Hotel oder -Golfplatz existiert und ein Händchen für Teresa May. So muss Google den Rücksturz zum Googleplex für seine Grünkartler anordnen, während Microsoft Trump listig nach wie vor für einen "Actor" hält. Zudem warnte man die Shareholder vor Gewinneinbrüchen. Bis jetzt schweigt Außenminister Gabriel zur Reinkarnation des Reichsbürgergesetztes, verkündet am Tag des Holcaust-Gedenkens. Statt klarer Worte zeigt sich Deutschland nur "besorgt" über die Entwicklung.

*** Jedenfalls begibt es sich zu dieser Umbruchszeit, dass ab sofort nach einer einfachen unverschlüsselten SMS-Anfrage die Smart Data-Spezialistin Brigitte Zypries im Digitalwirtschaftsressort ihren Auftritt hat, von manchen gar als erste Internetministerin begrüßt. Historisch kommt ihr Einsatz zu einer Zeit, in der ZITIS aufgebaut wird. Die Zentralstelle für die neue Quellen-Anbagger-Telekommunikationsüberwachung-Software-mit-Cloud-Haltung (QUATSCH) kommt zwar nach München und nicht nach Köln, wie es einst von Justizministerin Zypries und ihrem Partner Wolfgang Schäuble angedacht war, doch was soll' s. QUATSCH kommt jedenfalls und macht alle Fragen von 2007 überflüssig, was nochmal ein Browser ist oder wie man SMS-Nachrichten verschlüsselt.

*** Alternative Fakten können manchmal ganz schön kompliziert sein, wie auf Twitter eingetippte Passwörter zeigen. Dann ist es besser, wenn man sich direkt an die Presse wendet und erklärt, sie solle gefälligst die Klappe halten und den Alternativfaktlern besser zuhören. Die Reaktionen sind klassisch, von #AltGov über #Alt-FAA bis zu AltUSNatParkService. Was noch fehlt, ist Alt-GS3, denn Trump twittert offenbar immer noch mit seinem ungesicherten Galaxy S3. Das Wettrennen der Geheimdienste um diesen nöligen Gral hat noch keinen erklärten Sieger. Alternativ könnte es natürlich der Fall, äh, Fakt sein, dass das Handy längst gehackt ist, aber es keinen Grund gibt, Trump zu stoppen. In Ermangelung eines echten amerikanischen Handys will Donald Trump natürlich nicht zu einem kanadischen Blackberry greifen wie weiland Obama. Buy American? Noch baut Apple keines in den USA und das, was früher einmal Motorola war, fertigte schon immer in Malaysia. Was die Cisco-Apparate im Weißen Haus anbelangt, wird man sehen müssen, ob Cisco wirklich 6 Milliarden in Mexiko investiert oder irgendetwas in Alt-USA so adrett drapiert, dass die neue Weißhausphotographin das très chic ablichten kann, wie vormals Pete Souza.

*** Ich bin nicht trumpoman, aber das Dekret zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit verdient nähere Betrachtung, etwa durch den Datenschützer Peter Schaar. Gut möglich, dass mit der Klausel die Privatsphäre aller Menschen außerhalb der USA für null und nichtig erklärt, der mühsam gefundene Kompromiss namens "Privacy Shield" arg zerbeult ist. In jedem Fall gewinnt die Sache mit der deutschen Datenhaltung auf natürlichem deutschen Boden bei T-Systems in Biere an Fahrt, auch wenn es ein bisschen teurer ist, wie bei den pipifeinen Freilandhühnern. Außerdem werden da unsere guten deutschen Daten "auf Schadcodes abgeklopft".

Was wird.

Nein, ich habe den neuen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Martin Schulz nicht vergessen. Die von ihm proklamierte "neue Gerechtigkeit" gebietet es, ihn in die Zukunftsrubrik zu nehmen, denn er hat noch etwas vor. Schulz ist halt das Kandidatenhuhn, das laut Süddeutscher Zeitung mit den beiden Flügeln der SPD fliegen will, aber es nur zum Hühnerdapper bringen wird. Hühnerdapper, alle Achtung! An dieser Stelle nur der Einwurf aus der norddeutschen Tiefebene, dass Hühnerdapper bei uns das Fuß-an-Fuß-Setzen bei einem Spiel ist, um zu bestimmen, welche Mannschaft anfängt. Martin Schulz macht also Hühnerdapper mit Merkel und wenn er gewinnt, wird er Außenminister. In dieser kleinen Wochenschau habe ich mich über die von Schulz mitgetragene Charta der digitalen Grundrechte aufgeregt. Deshalb sei darauf hingewiesen, dass die öffentliche Kommentierung der Charta in zwei Tagen geschlossen wird. Über 400 Kommentare sollen eingegangen sein. Nun wollen die Initiatoren um Schulz beraten und eine erweiterte oder modifizierte Version veröffentlichen. Man darf gespannt sein, was aus der törichten Formulierung wird, dass staatliche Stellen und Informationsprovider zur Verhinderung von digitaler Hetze und Mobbing verpflichtet werden sollen. Werden unsere Worte abgeklopft, unsere Bilder seziert? Kommt das Wahrheitsministerium? Angeblich ist Orwells "1984" Spitzenreiter bei Amazon, aber das kann auch das Spässeken einer KI sein, die die Fettlogik der lesenden Entropiker bekämpft.

*** Hoppla, schon wieder schweift der Blick in die USA. Ganz abseits aller Trampeleien hat Twitter zwei "National Security Letter" veröffentlicht, im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens, das am Valentinstag fortgesetzt werden soll. Im Kern geht es darum, dass das FBI von Twitter alle Daten zu den Tweets von Edward Snowden haben will, der von Russland aus das Geschehen in den USA kommentiert, bei Twitter aber Stillschweigen anordnete. Damit zurück nach Deutschland: Wie bereits im Jahr 2015 wird Edward Snowden wieder per Video auf der CeBIT sprechen. Dafür Einreisen kann er nicht. Schuld daran ist diese gelebte deutsche Erinnerungskultur. (jk)