Treuer Roboter als Gepäckwagen

Der Vespa-Hersteller Piaggio versucht sich mit einer Tochterfirma an modernen Technologien. Bald könnte er einen automatischen Lastenträger auf den Markt bringen, der selbständig seinem Besitzer hinterherfährt.

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Von
  • Will Knight
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Ein kurioser Anblick bietet sich in einem Industriebau in Somerville im US-Bundesstaat Massachusetts. Dort folgt ein Roboter einer Person – wie ein braves Hündchen. Der hellblaue Roboter, genannt Gita, ist fast kugelförmig und hat außen zwei Räder ungefähr von der Größe wie bei Mountain-Bikes. Auf einem Laptop ist zu sehen, wie er die Welt wahrnimmt: Eine Wolke aus Punkten bildet den Zuschnitt des Raums und den Flur davor in 3D ab, erzeigt durch eine Reihe von Kameras am Gehäuse des Roboters.

Entwickelt wurde Gita von Piaggio, dem italienischen Unternehmen, das unterschiedliche leichte Fahrzeuge herstellt, am bekanntesten aber für seine Vespa-Roller ist. Der Robot ist eine experimentelle neue Methode, um Lasten zu transportieren. Seine Oberseite lässt sich öffnen, um bis zu 20 Kilogramm Gepäck unterzubringen, die man ansonsten selbst schleppen müsste. Bald will Piaggio mit Tests von Gita in unterschiedlichen kommerziellen Umfeldern beginnen, unter anderem Fabriken und Vergnügungsparks. Die Hoffnung ist jedoch, dass der Roboter auch bei Verbrauchern Anklang findet, die beim Gehen, Joggen oder Fahrradfahren einen Roboter-Assistenten haben wollen. Dass er dabei auch mithalten kann, zeigt seine Geschwindigkeit von bis zu 37 Stundenkilometern.

Gita ist ein weiteres deutliches Zeichen für die technische Revolution, die sich derzeit in der Welt des Transports abspielt. Auch die Welt der Automobile ist dabei, sich in schnellem Tempo neu zu erfinden, weil neue Technologien dabei sind, vorher seit Jahrzehnten unveränderte Mobilitätsarten zu verdrängen.

Laut Jeffrey Schnapp, CEO der Tochterfirma Piaggio Fast Forward, versucht das Unternehmen, im Transportbereich etwas Besonders zu machen. "Ein Großteil der Aufmerksamkeit richtet sich auf Autos und Drohnen", erklärt er. "Es gibt aber Bereiche, in denen eine Interaktion von Menschen und Robotern sinnvoll ist."

Piaggio hat Piaggio Fast Forward vor 18 Monaten geschaffen. Die Tochter soll mit neuen Transport-Arten und Technologien zu experimentieren. Die Sensoren, Steuerungssysteme und elektrischen Antriebe für den neuen Roboter könnten sich auch in anderen Piaggio-Produkten als wichtig erweisen, sagt Michele Colannino, der Vorsitzende ihres Boards. Außerdem ist Gita eine Art natürliche Erweiterung für die dreirädrigen Roller, die Piaggio für den Gewerbeeinsatz anbietet.

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Trotzdem sieht es hier ähnlich aus wie bei vielen anderen Ideen, die im Transportbereich getestet werden. Ob autonome Taxis, teilautonome Lastwagen oder Lieferdrohnen: In all diesen Fällen sind die genutzten Technologien wie auch die potenziellen Anwendungen noch unerprobt. Gita könnte in bestimmten Umfeldern nützlich sein, etwa in Berufen, die das Tragen schwerer Lasten erfordern. Weniger klar aber ist, ob ein solcher Roboter auch für normale Verbraucher interessant wäre. Er hat zwar ein System zur Erkennung von Hindernissen und kann sehr schnell anhalten, aber trotzdem kann man sich vorstellen, dass er auf einem Fahrradweg Menschen im Weg wäre.

Sein Gleichgewicht hält Gita von selbst, so dass die Ladung nicht verrutscht. Der Roboter hat eine Laufzeit von acht Stunden und kann an einer normalen Steckdose aufgeladen werden. Er lässt sich in drei verschiedenen Modi betreiben: Er kann einer Person folgen, alleine fahren oder im Geschwader mit anderen Gitas. Einen Preis hat Piaggio noch nicht genannt.

Das Interessanteste an Gita ist möglicherweise die Sensor-Technologie. Statt mit teurer Technik wie Lidar, bei der ein 3D-Bild mit Hilfe von reflektierten Laserstrahlen entsteht, erfasst der Roboter seine Umgebung mit Videokameras. Dabei werden Bilder verglichen, die zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommen wurden – anhand der Unterschiede schließt das System dann auf die dreidimensionale Struktur einer Szene. Dazu dient eine stereoskopische Kamera, hinzu kommen mehrere Weitwinkel-Kameras, die zusammen eine 360-Grad-Sicht ermöglichen. Laut Schnapp kann die Zuverlässigkeit des Orientierungssystem bei schlechtem Licht oder Wetter abnehmen. Als Gegenmittel wird über eine Beleuchtung nachgedacht.

Wenn der Roboter einer Person folgen soll, dann vergleicht er seinen Blick auf die Welt mit dem von einer Reihe Kameras am Gürtel dieser Person. Dadurch kann er den Weg auch mit deutlichem zeitlichen Abstand problemlos nachvollziehen. Allerdings sieht der Kamera-Gürtel noch ziemlich merkwürdig aus.

Ein Datum für den Verkaufsstart von Gita hat Piaggio bislang nicht genannt. Tatsächlich scheint der Roboter noch etwas Arbeit zu benötigen. Aber möglicherweise wird es nicht mehr lange dauern, bis die ersten Roboterhelfer zu sehen sind, die ihren Besitzern über Geh- und Fahrradwege hinterhereilen.

(jle)