Altmaier im NSA-Ausschuss: Der BND ist kein schwarzes Loch

Kanzleramtschef Peter Altmaier hat sich vor dem NSA-Untersuchungsausschuss als großer Kümmerer in der Selektoren-Affäre dargestellt. Er sei zuvor immer davon ausgegangen, "dass wir keine Freunde abhören".

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Peter Altmaier

(Bild: dpa, Peter Steffen/Archiv)

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Kritik von Abgeordneten, dass weite Teile des Bundesnachrichtendiensts (BND) lange Zeit außer Kontrolle geraten und Weisungen nicht sachgerecht umgesetzt worden seien, hat Kanzleramtschef Peter Altmaier am Montag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, zurückgewiesen. "Es gibt kein schwarzes Loch, jedenfalls keines, das mir begegnet ist", erklärte der CDU-Politiker. Jeden Dienstag würden in der Regierungszentrale Belange der Geheimdienste bei einem festen Termin besprochen. Dort könnten aber nur Themen auf den Tisch kommen, die der BND-Spitze selbst bekannt würden. Sonst sei auch das Kanzleramt nicht in der Lage, stärker zu sensibilisieren und Druck zu machen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Dass der BND jahrelang mit Zielvorgaben der NSA im großen Stil Institutionen in EU- und Nato-Ländern abhörte, sei etwa lange nicht bis in die BND-Spitze sowie ins Kanzleramt hochgekommen, widersprach Altmaier letztlich rasch wieder seiner These von der halbwegs transparenten Sicherheitsbehörde. Als ihn der Geheimdienstbeauftragte Klaus-Peter Fritsche Mitte März 2015 über die Selektoren-Affäre informierte, sei ihm sofort klar gewesen, "dass es sich um eine bedeutsame Angelegenheit handelte" und der Auslandsgeheimdienst "gegen die vorgegebene Richtschnur" verstoßen habe. Dies habe er wenige Tage später bei einem Besuch in der BND-Zentrale in Pullach so deutlich gemacht und gebeten, die illegitimen Vorgänge auch rund um die eigenen Suchmerkmale des deutschen Dienstes umfassend aufzuklären.

Den Begriff Selektor habe er erst zu diesem Zeitpunkt gehört, gab der CDU-Politiker zu Protokoll. Er habe in Folge darum gebeten, dass ihm eine einschlägige Liste mit Suchmerkmalen vorgelegt werde. In einem vierwöchigen Prozess sei es darum gegangen, "Licht ins Dunkel zu bringen". Schon binnen weniger Tage sei zudem eine Weisung an den BND gegangen, um die schwerwiegendsten der später auch öffentlich eingestanden Defizite abzustellen. So hätte der BND immer wissen sollen, was über die Selektoren wann von wem "gesteuert" und folglich ausspioniert werde. Ob die Ziele von der politischen Vorgabe aus Berlin gedeckt seien, hätte ebenfalls überprüft werden müssen.

Im Vorfeld sei ihm nur bekannt gewesen, "dass es einen oder mehrere Fälle gegeben hat, wo Botschaften von EU-Staaten und anderen Ländern betroffen waren", führte der Jurist aus. Der damalige BND-Präsident Gerhard Schindler habe ihm im Frühsommer 2014 zunächst in zwei Gesprächen versichert, dass es in dieser Angelegenheit keine weiteren Dinge gibt, "die ich wissen müsste". Deswegen sei er auch bei der Information über eine Weisung seines Vorgängers Ronald Pofalla vom Oktober 2013, Partner nicht länger zu überwachen, davon ausgegangen, dass die Sache schon beendet gewesen sei.

Nachdem der Ausschuss im Frühjahr 2014 seine Arbeit aufnahm, "habe ich mich dafür entschieden, alle wichtigen Dokumente anzuschauen und zu besprechen mit Mitarbeitern", präsentierte sich Altmaier als Kümmerer. Parallel habe er intern auch immer wieder darüber diskutiert, ob in den übergebenen Unterlagen "bestimmte Stellen zu schwärzen sind". Es habe im Aktenbestand aber auch viele Dinge gegeben, "die mich nicht mehr interessiert haben", räumte er ein. Für abgeschlossene Vorgänge, um die sich nun die Abgeordneten kümmern sollten, habe er "keinen parallelen Strang der Aufklärung" aufmachen wollen.

Das mittlerweile geflügelte Wort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass ein Ausspähen unter Freunden gar nicht gehe, sei während seiner Zeit als Bundesumweltminister im Herbst 2013 kurz vor seinem Wechsel in die Regierungszentrale gefallen, erinnerte sich der 58-Jährige. Er habe dieses Prinzip schon damals als "richtig und absolut notwendig angesehen", da man sich unter Partnern vertrauen können müsse. Die begrenzten Ressourcen darauf zu verwenden, gerade Freunde zu überwachen, mache wenig Sinn. Mittlerweile gehe er nach den eingeleiteten Schritten davon aus, "dass wir den Anspruch auch in unserer Arbeit leben". Die notwendigen Korrekturen seien zumindest "zu einem wichtigen Teil schon erfolgt".

Peter Altmaier im NSA-Untersuchungsausschuss

(Bild: Stefan Krempl)

Altmaier verteidigte zudem seine Entscheidung, die Liste der vom BND abgelehnten NSA-Selektoren nicht dem Ausschuss selbst, sondern nur einer "unabhängigen sachverständigen Vertrauensperson" in Form des Ex-Bundesrichters Kurt Graulich übergeben zu haben. Alles andere wäre nicht möglich gewesen, ohne "versprochene Absprachen über Geheimhaltung nicht einseitig aufzukündigen". Er versicherte zudem, den Volksvertretern im Zusammenhang mit "Durchstechereien" nie ernsthaft gedroht zu haben. Dies sei nicht sein Stil: "Ich bin ein zartfühlender Mensch."

Zu der im Sommer 2013 vor der Bundestagswahl aufgekommenen Debatte über ein "No-Spy-Abkommen" konstatierte der Christdemokrat, dass er dazu schon zwei Tage nach seinem Amtsantritt im Dezember 2013 eine Vorlage erhalten habe. Es hätten dazu "unterschiedliche Texte" existiert. Bei diesen sei ihm recht schnell vor Augen getreten, dass die USA ihre Sicherheitsbehörden offenbar nicht generell darauf verpflichten wollten, das geltende Recht hierzulande einzuhalten. Kurz darauf habe der damalige US-Präsident Barack Obama betont, dass man sich nicht dafür entschuldigen werde, "dass wir besser sind als andere" beim Spionieren. Im Februar 2014 sei endgültig klar geworden, dass der zunächst von den US-Geheimdiensten angestrebte Vertrag nicht erreicht werden könne.

Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte im Anschluss bei seiner Vernehmung kurz vor Mitternacht, dass monatelang über einen solchen Pakt gesprochen worden sei. Bei ihm habe der Eindruck bestanden, dass die US-Seite die Verhandlungen dazu angeboten hätten. Öffentlich habe Pofalla davon gesprochen, wobei es dem Kanzleramt aber nicht um den Begriff, sondern um den damit verknüpften Kooperationsrahmen mit Washington gegangen sei.

Ob er als erster Anfang Juli davon gesprochen habe, dass Abhören unter Freunden inakzeptabel sei, konnte der 56-Jährige nicht genau sagen. Der Spruch fasse aber gut zusammen, was "Leitbild unserer Politik" gewesen sei. Er habe auch nach Rücksprache mit "Auslegungsexperten" in der BND-Aufsicht in der Regierungszentrale zunächst keine Informationen bekommen, dass deutsche Geheimdienste sich nicht an die Maxime gehalten hätten. Er habe sich immer nach bestem Wissen und Gewissen gegenüber der Öffentlichkeit geäußert. (kbe)