Lizenzansprüche++: SAP und die indirekte Software-Nutzung

Im Streit über Lizenzabgaben für sogenannte indirekte Software-Nutzung hat ein britisches Gericht dem Walldorfer ERP-Spezialisten SAP Aussicht auf millionenschwere Mehreinnahmen eröffnet.

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SAP: Lizenzansprüche++

(Bild: DPA)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dr. Hans-Peter Schüler
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Der Getränke-Hersteller Diageo, Inhaber der Marken Guinness und Vodka Smirnoff, nutzt die Programmsuite mySAP Business und außerdem einige Clouddienste von Salesforce. Mit Hilfe dieser Dienste können 5800 Diageo-Kunden in Selbstbedienung Produkte bestellen und ihre Zugangskonten verwalten.

Die Salesforce-Dienste greifen auf Daten aus den Tabellen der mySAP-Suite zu, um daraus zum Beispiel Preise und Verfügbarkeit für eine Bestellung zu ermitteln. Den Diageo-Kunden dürfte es kaum in den Sinn kommen, dass sie dabei auf ein SAP-System zugreifen und dafür womöglich Lizenzkosten verursachen.

SAP vertritt dagegen den Standpunkt, jeder Diageo-Kunde mit Online-Zugang nutze indirekt auch die Funktionen der mySAP-Suite und brauche dafür eine Lizenz als Named User dieser Software. Die britische SAP-Niederlassung ist mit dieser Lesart in einem Musterprozess gegen Diageo vor Gericht gezogen und hat am vergangen Donnerstag damit obsiegt.

Die Richterin Finola O'Farrell begründete ihr Urteil mit der Erkenntnis, dass der SAP-Lizenzvertrag als einzige Abrechnungsgrundlage die Anzahl von Named Users vorsieht, und dass dem Vertragswortlaut zufolge ausschließlich Named Users direkt oder indirekt auf die SAP-Software zugreifen dürfen. Kommentatoren führen an, der maßgebliche Vertrag stamme aus einer Zeit, als noch nicht absehbar war, dass vor Ort installierte Anwendungen mit Lizenzberechnung on Premise einmal mit Webdiensten kombiniert werden könnten, die unüberschaubare Mengen zusätzlicher Nutzer ins Spiel bringen würden.

O'Farrell räumt ein: In ihrer Sicht gibt es "keine anwendbare Named-User-Kategorie für die Connect-Kunden. [...] Sie haben keinen Zugriff auf Quell- oder Objekt-Code. Sie haben keinen Zugriff auf Funktionen, welche die SAP-Software für Diageos allgemeinen Geschäftsbetrieb zur Verfügung stellt." Die Richterin äußerte sich nicht über die Höhe der umstrittenen Lizenzabgaben – Beobachter mutmaßen, sie halte die ursprüngliche Forderung von SAP über mehr als 54 Millionen Pfund Sterling nicht für vertretbar.

Die Situation von Diageo ist im Übrigen nicht einzigartig. Am deutschen Markt gibt es Werkzeuge, die auf Funktionen und Tabellen von SAP-Anwendungen zugreifen. Auf den ersten Blick könnte auch der Einsatz solcher Anwendungen in Anbetracht des britischen Richterspruchs nahelegen, dass Betriebe, die solche Software verwenden, für jeden einzelnen Nutzer eine SAP-Lizenz brauchen.

Bei einer vorschnellen Beurteilung ist aber Vorsicht geboten. Zum einen lassen sich nicht alle Fallkonstellationen und Applikationen von Drittherstellern über einen Kamm scheren. Es macht einen Unterschied, ob Drittprodukte, die keinen SAP-Code enthalten, auf die SAP-Anwendungen nur über Schnittstellen zugreifen oder ob die Drittprodukte zur Laufzeit auch SAP-Code verwenden und gemeinsam mit eigenem Code ausführen.

Zum anderen müssen sich die Preis- und Konditionenlisten der SAP, aus denen sich Nutzungsrechte und -beschränkungen ergeben, in Deutschland – anders als in Großbritannien – am Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen. Nach deutschem Recht sind manche Regelungen auch in Standardverträgen zwischen Unternehmen unwirksam, die in anderen Ländern vor Gericht problemlos Bestand haben.

Urheberrechtlich muss zudem in jedem Einzelfall die Frage geprüft werden, ob sich der Einsatz eines Drittproduktes noch im Rahmen der bestimmungsgemäßen Nutzung bewegt. Dann rechtfertigt er nämlich keine zusätzliche Lizenzierung. Anders kann der Fall liegen, wenn angekoppelte Dienste als "Datenpumpen" sehr viel intensiveren API-Gebrauch machen als ein menschlicher Nutzer dies könnte. Das wäre vom bestimmungsgemäßen Gebrauch im Regelfall nicht abgedeckt und könnte zusätzliche Lizenzierungspflichten auslösen.

Wie dem auch sei – das aktuelle Urteil, das noch nicht einmal eine zahlenmäßige Klärung enthält, ist zunächst auf einen Einzelfall im Vereinigten Königreich begrenzt. Inwieweit es Vorbildfunktion für andere Gerichtsprozesse haben wird, muss sich erst noch zeigen. Beobachter des Verfahrens spekulieren, SAP könnte sich außergerichtlich mit einer drastisch reduzierten Nachzahlung zufrieden geben. (hps)