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Was war. Was wird. Von untoten Hasen und widerständigen Grundrechten.

Viele Hasen sind des Jägers Tod. Oder so. Da seien aber die Jäger vor, die sich mal wieder einiges herausnehmen wollen. Hal Faber wundert sich, als wie treffsichere Prognosen sich manche TV-Serien herausstellen.

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Was war. Was wird. Von untoten Hasen und widerständigen Grundrechten

(Bild: Bildschirmfoto, aufgenommen während eines Binge Viewings von Mr. Robot 2.0)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Simsalabimbambadalladudalladim

"Vernunft kann es nur in Verzweiflung und Überschwang aushalten; es bedarf des Absurden, um dem objektiven Wahnsinn nicht zu erliegen. Man sollte es den beiden Hasen gleichtun; wenn der Schuss fällt, närrisch für tot hinfallen, sich sammeln und besinnen, und wenn man noch Atem hat, von dannen laufen. Die Kraft zur Angst und die zum Glück sind das gleiche, das schrankenlose, bis zur Selbstpreisgabe gesteigerte Aufgeschlossensein für Erfahrung, in der der Erliegende sich wiederfindet. Was wäre Glück, das sich nicht mäße an der unmessbaren Trauer dessen was ist? Denn verstört ist der Weltlauf. Wer ihm vorsichtig sich anpasst, macht sich damit zum Teilhaber des Wahnsinns, während erst der Exzentrische standhielte und dem Aberwitz Einhalt geböte." (Theodor W. Adorno, Minima Moralia)

Gründung der Creative Commons Deutschland, 2. v. links: Armin Medosch (R.I.P.)

Am Ende konnte er nicht mehr aufstehen und von dannen laufen, der Krebs bodigte ihn: Armin Medosch ist tot. Der Mitgründer von te/epo/is, der so viel für die Netzkultur im deutschsprachigen Raum getan hat, starb in Wien. Erinnern möchte ich nicht an den Kurator und Künstler, das haben Felix Stalder und andere auf Nettime wunderbar getan, sondern an den flinken Hasen, der zum Kampf gegen das Telemediengesetz aufrief, das uns zu gläsernen Telebürgern machen sollte. An den unermüdlichen Aufsteher gegen diverse Kryptoverbote und gechipte Hintertürchen aller Art, der auf eine "kleine Welle des Widerstands" gegen den objektiven Wahnsinn hoffte. "Und so gehts: 'Redakteur' rechts unter diesem Artikel anklicken und ein Statement abgeben. Wenn genügend interessante Äußerungen zustande kommen, werden wir in Kürze ein eigenes netzpolitisches Meinungsforum eröffnen." Du gehst nicht gelassen in die gute Nacht, Armin.

*** Widerständige Hasen werden gebraucht, denn die Jäger sind unermüdlich und ballern drauflos. In Deutschland ist Bundesinnenminister Thomas de Maizière ein solcher Jäger, einer, der nichts von Datenschutz hält und wie sein Vorgänger dummes Zeug von einem Supergrundrecht erzählt. Grundrechte sind Grundrechte sind Grundrechte sind Grundrechte, und nur Juristen kommen auf die Idee, da Prioritäten zu setzen. Aber es passt schon ins Bild, denn wo wir bei den Rechten sind, kann man sie gleich zusammenschieben wie den letzten dreckigen Schnee. De Maizière möchte das Telekommunikations- mit dem Telemediengesetz zusammenschieben und so erreichen, dass Messenger Speicherpflichten nach der Vorratsdatenspeicherung bekommen. Das formulierte de Maizière ausgerechnet auf einem Polizeikongress, wo mit großem Beifall Stashcat vorgestellt wurde, ein Messenger, der auf Polizeiservern läuft – und verschlüsselt.

*** Jäger dürfen das, was Hasen abgesprochen wird. Bruno le Roux, der französische Amtskollege von Thomas de Maizière, war in dieser Woche nicht in Berlin. Aber das hinderte die beiden nicht, einen Brief zu verfassen, der in Berlin aufgegeben ist und dem EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos in die Hände gedrückt wurde, als dieser nach Berlin zu eben jenem Polizeikongress reiste. Unter den Forderungen des zweisprachigen Briefchens fällt eine auf:

Im Kampf gegen den Terrorismus müssen wir den europäischen Behörden rechtliche Mittel an die Hand geben, um den Gebrauch von verschlüsselter elektronischer Kommunikation im Rahmen strafrechtlicher und administrativer Ermittlungen berücksichtigen zu können. Die Europäische Kommission muss sicherstellen, dass die technischen und rechtlichen Mittel jetzt genutzt werden, und die Möglichkeit prüfen, neue Verpflichtungen für Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste zu bestimmen.

La lutte contre le terrorisme requiert de donner les moxens juridiques aux autorités européennes afin de tenir compte de la généralisation du chiffrement des communications par voie électronique lors d'enquêtes judiciaires et administratives. La Commission européenne doit veiller à ce que des travaux techniques et juridiques soient menés dès maintenant pur étudier la possibilité de définir de nouvelles obligations à la Charge des prestataires de services de communication par voir électronique tout en garantissant la fiabilité de systèmes hautment sécurisés, et de proposer sur cette base une initiative législative en octobre 2017.

Sieht man davon ab, dass die französische Fassung den Zeitplan für eine gesetzliche Inititiative enthält, die noch im Oktober 2017 starten soll, ist die Formulierung "berücksichtigen können" bzw. "afin de tenir compte" ausgesucht feinstes Jäger-Neusprech. Es klingt, als würde da auf verschlüsselte Kommunikation Rücksicht genommen werden, doch welche rechtlichen Mittel sollen den Behörden zur Hand gegeben werden? Noch schwammiger sind die "neuen Verpflichtungen", die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste eingehen müssen. Aber hach, da gibt es Vorbilder. Wechseln wir noch einmal die Sprache und gehen nach Großbritannien, wo das Gesetz namens Investigatory Powers Bill die Service-Provider bei neuen Kommunikationsangeboten verpflichtet, "technische Fähigkeiten" zur Verfügung zu stellen, zu denen auch das Entschlüsseln der Kommunikation gehört. Da liegt der erlegte Hase in der Pfefferbrühe.

(Bild: Bildschirmfoto, aufgenommen während eines Binge Viewings von Mr. Robot 2.0)

*** Angesichts dieser Hasengeschichte möchte man fast Elliot Alderson als neuen Berater gegen die Machtübernahme des tiefen Staates in der digitalisierten Welt anheuern. In der Hoffnung, dass es halt nicht aufs "sorgfältige Abschlachten der Bourgeoisie" rauslaufen würde. Dabei ist es ja sowieso so, dass "dieser Content an Ihrem Ort nicht verfügbar" ist. Ja, genau. Keineswegs wurde die Lunte der Revolution entzündet? Kontrolle ist eine Illusion, das schon. Auch die Kontrolle, wer oder was wie revolutioniert.

(Bild: Bildschirmfoto, aufgenommen während eines Binge Viewings von Mr. Robot 2.0)

*** Wie die Serienwerdung eines eher blutrünstigen Fake-Films in einer weniger blutrünstigen als digitalisierten Zeiten angemessenen Serie, so absurd sind natürlich auch andere Ereignisse. Da ist dann auch eine wiederum blutrünstigere, eher terroristischen Zeiten angemessene Serie Patin. In dieser Woche zeigte sich der Bundesnachrichtendienst (BND) von seiner weiblichen Seite. So lernen wir, dass man beim Elternsprechtag schon mal Verzicht üben muss, Whatsapp und eigene Telefone bei den Schnüfflerinnen nicht erlaubt sind und die Arbeit mit der Kontrolle von Dschihadisten so etwas wie "Real-life-GZSZ" ist. Außerdem kann man lernen, wie hervorragend die Hirnwäsche beim BND gerade bei der jungen Mitarbeiterin funktioniert. "So etwas wie in 'Homeland', dass ein unbescholtener Bürger aus dem Haus geht und bei seiner Rückkehr seine Wohnung verwanzt ist, das wird nicht gemacht. Wir handeln auf gesetzlicher Grundlage und im Interesse der Öffentlichkeit: Wir wollen, dass die Politiker eine gute Informationsbasis haben, um über wichtige Sachverhalte zu entscheiden." Herzzerreißend, was da für die Politiker getan wird: Journalisten aus aller Welt überwachen, das gehört einfach zum Geschäft dazu, von wegen gesetzliche Grundlagen. Telefon- und Faxanschlüsse der BBC und der New York Times und der Nachrichtenagentur Reuters in Afghanistan, sowie die BBC-Zentrale in London, was tut man nicht für seine Freunde, die den GCHQ nicht mit Inlands-Lappalien belästigen wollen. So sieht die Vernetzung mit internationalen Nachrichtendiensten halt aus, da sollen sich die Journalisten nicht so anstellen. Zugegeben, Deutschland ist kein Überwachungsstaat – aber auf dem besten Weg dahin. Vielleicht ist beruhigend, was Terrorexperte Peter Neumann in diesem Streitgespräch beklagte: "Und die Leute, die sich wirklich mit Computern und Hacken auskennen, sind die Allerletzten, die bereit sind, in Strukturen wie denen bei den Nachrichtendiensten und der Polizei zu arbeiten." Womit wir wieder bei Elliot Alderson wären.

Was wird.

Heute überwachen wir die ganze Stadt ...

... morgen den ganzen Staat ...

... und übermorgen?

Bevor Neumann sich zum Streitgespräch zur tageszeitung begab, war auch er auf der Polizeikonferenz in Berlin, wo unter anderem über die intelligente Videoanalyse und besonders über die Gesichtserkennung gesprochen wurde. Bekanntlich will die Bundespolizei in Berlin am einfach strukturierten Bahnhof Südkreuz mit der Technik experimentieren und bereitet eine Ausschreibung vor. Wenn die Tauglichkeit bewiesen ist, sollen sechs Bahnhöfe in Berlin und alle bis dahin funktionierenden Flughäfen Berlins mit ihr ausgestattet werden. So könnte auch das arme Berlin auf dem Weg in die Smart City sein, genau wie San Diego, die reichste Stadt der US-amerikanischen Westküste. Könnte, könnte, Fahrradkette: die Berliner Datenschützerin hat sich bereits gegen das Zukunftsprojekt ausgesprochen, wenngleich mit der falschen Begründung, dass "die gewonnenen Daten mit digitalen Fotografien abgeglichen werden, die mittlerweile von fast jedem im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken, zu finden sind". Das ist bei der lückenlosen Identifizierung gar nicht notwendig, denn wenn jemand einen Menschen in den Rücken tritt, fällt das der Software als Aggressionstat auf, das Gesicht wird gespeichert und die Suche beginnt: "B - eine Stadt sucht einen Treter".

Die Kolumne sollte ohne den Grötaz und seine Gaggles auskommen, doch wenn sie erscheint, werden die Geschichten zur Oscar-Verleihung Geschichte schreiben. So bleibt mir nichts anderes übrig, als auf die Erklärung der ausländischen Regisseurinnen und Regisseure hinzuweisen. Es gibt weder das beste Land der Welt noch das beste Geschlecht, die beste Religion oder die beste Farbe. Die Kunst ist frei und Menschenrechte sind unveräußerlich. Basta. (jk)