Miteinander reden

Kommunikation ist prima. Wer nur still vor sich hin brütet, kommt nicht auf neue Ideen, glauben manche Manager. Die Wissenschaft gibt ihnen tatsächlich Recht.

vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 2 Min.

Unsere Redaktion hat eine neue Kaffeemaschine. Der Kaffee ist recht gut, aber das ist nicht der hauptsächliche Grund, warum die Maschine jetzt da steht. Der primäre Daseinszweck dieser famosen Maschine ist, für eine kommunikative Atmosphäre zu sorgen. Kommunikation – so ein Mantra des modernen Managements – ist prima. Wer nur still vor sich hin brütet, kommt nicht auf neue Ideen.

Die Wissenschaft gibt dieser Idee Recht: Still zu sitzen, und vor sich hin zu brüten, ist eine Wesensart, die vielen Menschen – zumindest in der westlichen Welt – zutiefst unnatürlich erscheint. Timothy Wilson von der University of Virginia hat dazu gemeinsam mit Kollegen der Harvard University 2014 eine geradezu erschreckende Studie durchgeführt. Er bat seine erwachsenen Versuchspersonen 15 Minuten in einem schmucklosen Raum zu verbringen. Nachdem sie vorher alle persönlichen Gegenstände – inklusive ihres Smartphones – abgegeben mussten. In diesen 15 Minuten sollten sie sich nach Möglichkeit nur mit ihren eigenen Gedanken beschäftigen. Dabei sollten sie auf einem Stuhl sitzen und wach bleiben.

Wenn ihnen das zu unangenehm war, konnten sich die Probanden auch einen milden elektrischen Schock versetzen. Und nun raten Sie mal, wie viele das tatsächlich gemacht haben: 67 Prozent der männlichen Versuchspersonen war die Aufgabe so unangenehm, dass sie sich lieber geschockt haben, als weiter still da zu sitzen.

Umso erstaunlicher, dass die Menschen im öffentlichen Raum kaum mehr miteinander reden. Stattdessen schauen sie auf ihre Smartphones. Das sind zwar eigentlich Telefone, aber damit einfach jemanden anzurufen gilt unter jungen Leuten mittlerweile geradezu als unhöflich. Es könnte tatsächlich sein, dass die Soziologien Sherry Turkle Recht hat mit der Idee, moderne Kommunikationstechnologie in erster Linie dazu entwickelt wurde, um nicht direkt mit anderen Menschen reden zu müssen.

Vielleicht stimmt die alte Verschwörungstheorie ja doch: Die Herrschaft der Algorithmen über unser modernes Leben – die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Politik und alles, was sonst noch so dazu gehört – ist die Rache der Nerds an den Normalos. Weil sie früher immer als uncool galten, verspottet und drangsaliert wurden, haben die Nerds nicht nur dafür gesorgt, dass ihr Wissen und ihre Fähigkeiten unentbehrlich geworden sind. Sie bestimmen mit ihren Technologien auch, wie alle anderen – und das meint vor allem Nicht-Nerds – leben. Ich geh mal einen Kaffee holen. Vielleicht kann ich die These ja mit jemandem diskutieren. (wst)