Verriss des Monats: Klatschklatsch

Er ist die Mutter aller Hausautomatisierungs-Gadgets. Vielleicht hilft ein Verriss, dem scheinbar unverwüstlichen Gerät endlich den Garaus zu machen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Glaser
Inhaltsverzeichnis

Die Kunst des gepflegten Verreißens zweifelhafter Produkte ist ein wenig aus der Mode gekommen. An dieser Stelle präsentiert unser Kolumnist Peter Glaser deshalb eine Rezension der etwas anderen Art: den Verriss des Monats. Vorschläge für besonders zu würdigende Produkte werden gerne per Mail entgegengenommen.

Heute gibt es einen paradoxen Verriss. Etwas Altbewährtes wird zerlegt; aber daran, dass es altbewährt ist, bin ich nicht schuld. Vielleicht muss man noch dazusagen, dass das aktuelle Zielobjekt nicht "altbewährt" im altbewährten Sinne ist. Es handelt sich um etwas, das sich entgegen jeder Wahrscheinlichkeit gehalten hat, und nicht, weil es ein gutes, altes Irgendwas wäre, das zwar aus der Mode gekommen, aber solide ist.

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Die Rede ist von der Mutter aller Gadgets zur Hausautomatisierung: dem Clapper. Dem sensorgesteuerten Klatschschalter. Es gibt ihn immer noch. Wahrscheinlich, weil er sich nicht mehr ausschalten lässt. Ehe ich das erste Mal nach Tokio fuhr, bestellte ich mir einen Stadtplan und als er kam, dachte ich, er ist kaputt. Er war hauchdünn, das Straßenverzeichnis fehlte. Tokio ist mit knapp 40 Millionen Menschen der größte metropole Großraum der Welt. Später erfuhr ich, dass es in der Stadt keine Straßennamen gibt und seit ich da war, bin ich der Überzeugung, dass deshalb so viele Menschen dort leben, weil sie alle nicht mehr rausfinden. Genauso ist es mit dem Clapper. Es gibt das merkwürdige kleine Stück Technologie immer noch, weil es den Weg zu seinem Verschwinden nicht findet.

Erwachsene müssen, um es höflich auszudrücken, meist eine Weile üben, um den Clapper zum gewünschten Schaltverhalten zu veranlassen. Kinder und Tiere scheinen – ob man das nun gerade will oder nicht – spontan den richtigen Ton zu treffen, der den Fernseher (dieser Bildschirm ohne Tastatur, liebe Kinder) einschaltet oder das Licht löscht.

Eine Freundin, die sich als Inbegriff technisierter Bequemlichkeit einen Klatschschalter installieren ließ, hatte kurz darauf Streit mit ihrem Freund und immer wenn sie sich anschrien, ging das Licht aus, dann kreischte sie und es ging wieder an, jedenfalls war an einen ernsthaften Streit unter solchen Umständen nicht zu denken. Anders gesagt: diese Beziehung hat dem Clapper einiges zu verdanken. Das soll kein Lob sein, vielmehr ein Hinweis darauf, dass Technik oft Nutzen in Bereichen zeigt, die überhaupt nicht vorgesehen waren.

Eigentlich erfunden hat die Technologie 1965 die Firma Sonus aus Massachussetts. Sie präsentierte den diaprojektorgroßen "Sonuswitch", der jedes eingesteckte elektrische Gerät per Schallsignal ein- und ausschalten konnte. Leider war Sonus nicht in der Lage, den geweckten Bedarf an Switches zu decken, da die Firma von einem japanischen Zulieferer im Stich gelassen wurde, der wichtige Teile der Vorrichtung produzieren sollte. Nach einem langen Gerichtsverfahren Anfang der 1970er Jahre stellte Sonus das Geschäft mit dem Schallschalter wieder ein.

Laut offizieller Historie erfunden haben den "Clapper" Anfang der 1980er Jahre zwei kanadische Bastler aus Toronto. Sie schickten einen Prototypen an den kalifornischen Marketinexperten Joseph Pedott, der seit 1977 erfolgreich jährlich eine halbe Million Chia Pets verkaufte (eine Art US-Version des Kresse-Igels).