Fenster mit eingebautem Vorhang

Elektrochrome Prozesse erlauben es neuartigen Fensterscheiben, sich an die Lichteinstrahlung anzupassen. Das geht nun auch farbig.

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Vorhang oder Jalousien müssen nicht sein: Fenster, die sich bei Anlegen elektrischen Stroms verdunkeln, gibt es schon recht lange. Sie sind etwa für Bürogebäude praktisch, um im Sommer starke Sonneneinstrahlung abzumildern, damit sich die Räume weniger schnell aufheizen. Dafür reichen geringe Spannungen um drei Volt. Der jeweils selektierte Zustand erhält sich zudem auf Dauer: Entweder bleiben die Fenster transparent oder undurchsichtig, nur zum "Schalten" muss erneut elektrische Energie aufgewendet werden, was die Systeme sparsam macht.

Allerdings benötigen die nach elektrochromen Prinzipien arbeitenden Scheiben bislang in der Regel mehrere Minuten für den Schaltvorgang und sind üblicherweise nur in blauer Farbgebung erhältlich – was nicht immer architektonisch passt. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP im Potsdamer Stadtteil Golm hat nun eine Scheibe entwickelt, die sich bereits in 20 bis 30 Sekunden verdunkeln kann – bei einer Fläche von 1,2 Quadratmetern.

Elektrochromes Glas in einem ICE.

(Bild: Sese_Ingolstadt / cc-by-2.5)

In Gießharz eingebettete Kunststoff-Monomere verknüpfen sich darin bei Anlegen einer Gleichspannung zu einem lichtundurchlässigen Polymer. Ohne Spannung klaren sie wieder auf. Das Gießharz erlaubt es zudem, verschiedene Farben zu verwenden, um die Scheiben einzufärben – in einem ersten Schritt soll das laut Fraunhofer IAP der Farbton Rot werden.

Durch die schnellen Schaltzeiten wäre ein Automatismus denkbar, der auf Sonneneinstrahlung reagiert. Das Material wäre, glauben die Forscher, zudem günstiger als das heute meist verwendete Wolframdioxid.

Tilse stellt auch Gläser für Schiffe her.

(Bild: Tisle)

Stabil sollen die neuen Fenster, die zusammen mit dem Formglas-Hersteller Tilse aus Nennhausen entwickelt werden, ebenfalls sein."Wir haben die Stabilität unserer elektrochromen Scheiben entsprechend geltender DIN-Normen testen lassen: Bereits ein Verbund aus zwei Scheiben reicht aus, um eine Überkopf-Verglasung oder begehbare Scheiben zu realisieren. Bisher brauchte man dazu einen Vielfach-Glas-Verbund", so Volker Eberhardt, an dem Projekt beteiligter Wissenschaftler am Fraunhofer IAP. Mit dem speziellen Gießharz lassen sich laut dem Forscher zudem Materialkosten sparen, da man statt drei oder vier Scheiben nur zwei brauche.

Bei Tilse sieht man bereits eine Nachfrage. Diese sei bei färbbaren Gläsern ungebrochen hoch. "Mit dem Fraunhofer IAP gelang es uns, diese Technologie auch in die Verglasungen zu bringen, die besonders starken Kräften ausgesetzt sind", so Geschäftsführer Hans-Joachim Tilse. Man hoffe nun sehr, mit diesem Knowhow im Bereich Farbstoffe und Polymermaterialien bald auch schaltbare Gläser für andere Spektralbereiche zu erhalten. "Neben Teilen des sichtbaren Spektrums ist vor allem das Schalten des IR-Bereichs für den Sonnenschutz noch von großem Interesse." Das würde das Aufheizen von Räumen deutlich vermindern und die Notwendigkeit mechanischer Vorhänge und Jalousien signifikant reduzieren.

Das fertige Glas in einer Demoversion.

(Bild: Fraunhofer IAP)

Neben der Gebäudetechnik denken die Fraunhofer-Forscher auch an Anwendungen in der Seefahrt beziehungsweise im Schiffsbau, denn dafür seien die Gläser ebenfalls stabil genug. (bsc)