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Was war. Was wird. Vom Träumen und dem Schlaf der Vernunft.

Ach, ja. Die Jugend der Welt versammelt sich... Ach nee, das war was anderes, dafür gehts in die friedliche Stadt, der zur Smart City aber noch ein bisschen was fehlt. Die Träume von den elektrischen Schafen kommen dann von allein, brummelt Hal Faber.

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Schafe

So gar nicht elektrisch, diese Schafe. Aber sie blicken auf ... auf .... auf eine Dystopie der digitalen Gesellschaft?

(Bild: larahoun, Public Domain (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Oh, der Arbeitsplan für heute? Sechs Stunden selbstanklagende Depression stehen an: Die kleine Wochenschau will geschrieben werden, zackzack, bevor draußen auf dem Messegelände von der d!conomy geträumt wird und der Waschraum 4.0 betreten werden kann. Hannover und das CeBIT-Motto "no limits", das muss man sich erst einmal vorstellen, diesen "Umbau in eine digital geprägte Metropole". Eine digitale Stadt hatten wir ja schon mal, eine digital geprägte Metropole kann ja nur aufregender werden, so mit einem eigenen Kunst-Orbit mittendrin und Holoball-Squash da draußen in Laatzen. Noch rollen dorthin die Straßenbahnen, aber eines Tages wird Olli dahin fahren, der Minibus, mit dem man dauernd quatschen muss. So träumt es sich gut in Hannover, dieser friedlichen Metropole an den Ufern der Leine.

*** Do Androids Dream of Electric Sheep? Träumen Androiden von elektrischen Schafen? Eine schwierige Frage, die selbst der großartige Philip K. Dick nicht eindeutig beantworten konnte. Wirklich sicher war er sich nur, dass Rick Deckard von echten, lebenden Schafen träumte, weil er sich nur ein mickriges elektrisches Schaf leisten konnte. Ja, wann werden unsere Androiden menschlich und beginnen zu träumen, auf dass wir endlich mit der Traumarbeit anfangen können und analysieren was sie wirklich denken. Besonders gespannt bin ich dann auf die Träume und Wiegenlieder von Marvin, dem paranoiden Androiden, der nachts elektronische Schäfchen zählt und den Abendsegen singt.

Now I lay me down to sleep
Try to count electric sheep
Sweet dream wishes you can keep
How I hate the night

Ob elektrisch oder nicht: Schafe blicken auf. Und erschrecken uns mit einer sehr analogen Dystopie.

*** In dieser Woche fand bekanntlich das traumhafte Festival South by Southwest statt, wo man sich offenbar mit der Frage beschäftigte, ob Faschisten von Algorithmen träumen. Die Microsoft-Wissenschaftlerin Kate Crawford bezog sich damit auf die Lochkarten-Maschinen von IBM und die Darstellung von Edwin Black, als sie sich über undurchsichtige Algorithmen beklagte, nach denen Grenzbeamte die Einreise von Personen in die USA verweigerten. So entpuppte sich, dass Faschisten gar nicht von Algorithmen träumen, sondern von unbeschränkter Macht: "Das ist der Traum eines Faschisten: Macht ohne Rechenschaft". Wo diese Frage geklärt ist, könnte man sich auf die Suche nach der Antwort machen, warum man in diesen Tagen so rasend schnell mit dem Faschismus-Vorwurf bei der Hand ist. Trumps neues Einreiseverbverbot führt zu neuen Algorithmen an der Grenze und zu neuen Niederlagen für Trump, doch die Sammlung von Dekreten und Verordnungen ist ganz sicher nicht Ausdruck eines neuen Faschismus. Wer immer nur nach Hitler sucht, schaut durch eine verzerrende Brille. Das gilt auch für den ersten Haushaltsplan, den die Regierung Trump vorgelegt hat, ein durchaus logisches Gebilde. Die Kürzungen bei der Unterstützung von Kunst und Forschung muss sein, denn die Wochenendflüge nach Florida sind teuer genug. Sozialprogramme wie "Meals on Wheels" werden abgeschafft, denn das Geschäft mit der Armut brummt: "The Systems works".

*** Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Besuch im Weißen Haus Nord ein verdutztes Gesicht gemacht, als Donald Trump von den Gemeinsamkeiten schwärmte, die Überwachung der Telefone durch die Regierung Obamas. Nachdem Trumps Sprecher zwischenzeitlich auf den britischen GCHQ verwies, was prompt als Unsinn zurückgewiesen wurde, sind die Alternativen Nachrichten noch längst nicht am Ende. Hillary Clinton betreibt aus einer Pizzeria einen Kindersexring, Barack Obama setzt Mikrowellenerde als Kameras ein, nur dieser Klimawandel ist ein totaler Schwindel. So einfach, so unbekümmert werden da Dinge gesagt, von denen man weiß, dass sie nicht wahr sind. Es wird halt schon einen Weg geben, wie Trump per Mikrowelle abgehört wurde, so einen netten Lauschangriff hatten die Russen doch schon einmal mit dem Ding erfolgreich durchgeführt. Natürlich darf ein Lauschangriff nicht so einfach auffallen wie beim Aufstellen der Mikrowelle gleich neben dem WLAN-Router.

*** Auch die Sache mit der russischen Alfa Bank, die sich als Opfer sieht, ist etwas zu einfach gestrickt. Sowohl die Alfa Bank wie die Sberbank sind Kunden bei Kaspersky Labs, deren Abteilung Kaspersky Government Solutions den geschassten nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn für 11.250 US-Dollar als Redner engagierte. Auch wer vom Oligarchenturm Rückschlüsse auf Trumps Vermögen zieht, macht es sich zu einfach. Ob die Anklage der FSB-Agenten ausreicht, die mit Hilfe von zwei russischen Hackern versuchten, an die Mail-Konten russischer Oppositioneller zu kommen, wird sich zeigen müssen. Von Russland aus dürfte dies als Einmischung in innerrussische Angelegenheiten gewertet werden, auch wenn amerikanischer Server und Webdienste beteiligt waren. Die Frage, wie eine ordentliche Attribuierung eines staatlichen Akteurs gelingen kann, ist noch lange nicht beantwortet.

Was wird.

Noch bevor Angela Merkel über die CeBIT geht, feiert die Software SCHAKAL ihre Premiere. SCHAKAL ist die Schleswig-Holsteinische Analyse-, Kriminologie-, Archivierungs- und Leitungssoftware, die die Polizei im Sonntags-Tatort einsetzt. Ein Super-System, das da im "echten Norden" geschaffen wurde und das Darknet spielend überwacht Alles digital, alles unter einem Dach: Informationssysteme, Online-Überwachung, Rasterfahndung. Wie das Land, so die Software, wie ein Jevener Pilsener (!), heißt es in der TV-Rezension des gefühlt 100. Tatort, in dem das Darknet auftaucht. Vorbei die Zeiten, als Schleswig-Holstein mit Fernschreibern und der Personen-Erkenntnis-Datei als erstes Bundesland die datenbankgestützte Fahndung einführte und es ruhig war zwischen den Küsten. Nun gut, SCHAKAL ist ein Fernsehgag, doch wie sieht die Zukunft aus? Beim Überwachen ist der echte Norden schon weit voran gekommen und der Traum eines Big Brothers fast erfüllt: Jeder Mensch in Schleswig-Holstein gerät jedes Quartal in eine Funkzellenabfrage.

*** Vergesst die CeBIT, hat sich Microsoft auf die Fahnen geschrieben. Man habe den Auftritt zugunsten der Messepartner reduziert, heißt es. Überhaupt müsse mehr Tempo bei der digitalen Transformation gemacht werden und wo kann man besser auf die Tube drücken als in Berlin? So dürfte es niemanden wundern, dass der Microsoft-Präsident & Chief Legal Officer Brad Smith mit der hübsch benannten Veranstaltung "Grundrechte können digital" in Berlin den Start der rechtsdichten deutschen Microsoft-Cloud feiert. Berlin, das ist die Hauptstadt, wo Grundrechte neu gedacht und neu gefasst werden, in Karlsruhe werden sie überprüft. Wie kreativ man dabei vorgehen kann, zeigt die endgültige Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe zur Anhörung von Edward Snowden auf deutschem Boden. Zwar sind 2 von 8 Mitgliedern eines Untersuchungsausschusses ein mathematisches Viertel, doch muss das minderheitentechnisch so wichtige Viertel im strahlenden Lichte des Grundgesetzes gesehen werden, wo ein Viertel sich auf die Gesamtheit der Abgeordneten bezieht. Grüne und Linke sind so gesehen keine Minderheit, sondern nur zwei kümmerliche Zehntel. So geht das mit "Grundrechte können digital". Wer einfach so an die Weisen von Karlsruhe glaubt, dem sei gerufen: Träum weiter! (jk)