OECD-Bildungsexperte: Statt Programmieren als Schulfach lieber "digitale Kompetenz" fördern

Der Leiter des Direktorats für Bildung der OECD, Andreas Schleicher, ist gegen die Einführung eines expliziten Programmierunterrichts an Schulen.

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Programmieren auf dem Stundenplan

(Bild: dpa, Patrick Seeger)

Lesezeit: 2 Min.

Experten fordern, Programmieren in der Grundschule in den Lehrplan aufzunehmen und Informatik zum Pflichtfach zu machen. Allerdings bleibt das Thema nicht unumstritten, berichtet Technology Review in seiner April-Ausgabe (aktuell am Kiosk oder online bestellbar).

Die neue April-Ausgabe

In einem von der Zeitschrift organisierten Streitgespräch zwischen Andreas Schleicher, Leiter des Direktorats für Bildung der OECD, und Stephan Noller, einem Mitgründer des Calliope-Projektes, lehnte Schleicher den direkten Programmierunterricht ab. "Informatik als Schulfach bildet die Kinder für unsere Vergangenheit aus und nicht für ihre Zukunft", sagte er. "Heute ist programmieren sicherlich sehr wichtig, morgen kommt etwas anderes dazu. Wir überfrachten unsere Lehrpläne. Und am Ende lernen unsere Kinder von allem ein bisschen, aber nichts richtig."

Stattdessen müsse grundsätzlich die "digitale Kompetenz" der Kinder gefördert werden, meint Schleicher. "Aber wie können wir diese Kompetenzen fördern? Ich glaube, das ist nur erreichbar, wenn es wirklich jedermanns Aufgabe ist und nicht nur in ein weiteres Schulfach ausgelagert wird."

"Wenn Sie Ressourcen und Personal haben wollen, brauchen Sie ein Schulfach", hielt Noller dagegen. "Wenn wir darauf verzichten, dann wird in der siebten Klasse ein Informatikführerschein eingeführt – und das war’s. Das aktuelle System funktioniert so: Wenn Sie ein Fach haben, haben Sie eine Position. Wenn Sie ein Wahlpflichtfach haben, haben sie gar nichts."

Noller warnt vor dem großen Wandel. "Stellen Sie sich vor, es ist industrielle Revolution, aber Ihre Kinder lernen verschiedene Formen des Ackerbaus. Viele Eltern denken heute noch: Na ja, dann wird sie eben Anwältin oder Medizinerin, das wird doch ein sicherer Job bleiben." Viele dächten immer noch, dass nur Fabrikarbeiter unter Druck kommen werden. "Aber wir werden vielleicht keine Ärzte mehr haben. Diese Dimension des Problems muss man den Menschen nahebringen." (bsc)