Provider vs. Nutzer: US-Senat kippt Privatsphäre-Vorschriften

Die im vergangenen Jahr erlassenen Vorschriften der Regulierungsbehörde FCC sollten Provider daran hindern Nutzerdaten ohne Zustimmung zu verwerten. Bürgerrechtler protestieren gegen die Aufhebung.

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Provider vs. Nutzer: US-Senat kippt Privatsphäre-Vorschriften
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Während der Streit um die Aufhebung der Gesundheitsreform "Obamacare" weltweite Schlagzeilen macht, hat die Regierung Trump und der von US-Republikanern bestimmte US-Kongress begonnen, die digitalen Bürgerrechte zu beschneiden. In einer Abstimmung sprach sich der US-Senat nun dafür aus, die im Oktober von der Federal Communications Commission (FCC) erlassenen Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre von Internetnutzern zu kippen. Bereits in der kommenden Woche soll das Repräsentantenhaus mit den Stimmen der Republikaner den Schritt besiegeln.

Die Regulierungsbehörde FCC hatte die Vorschriften nach einem Streit um die sogenannten Supercookies erlassen. Provider wie Verizon hatten 2012 begonnen, in den Datenstrom ihrer Kunden heimlich Tracking-Informationen einzuschleusen. Diese ermöglichten es Werbetreibenden, Nutzer gezielter anzusprechen. Selbst wer die Cookies auf seinem Endgerät löscht, bekommt sie von seinem Provider gleich wieder eingespielt.

Zwar gaben die Provider dabei bisher keine identifizierenden Nutzerdaten wie Namen oder E- Mailadressen an andere Firmen, stellten ihren Werbekunden aber Profilinformationen zur Verfügung. Auf diese Weise können Werbetreibende Nutzer bestimmter Altersgruppen oder mit bestimmten Interessen adressieren oder gezielt Werbung nach dem Standort des Kunden ausspielen.

Nach der Aufdeckung dieser Praxis hatte der Provider Verizon Anfang 2016 eine Millionenstrafe gezahlt. Die FCC erlaubte aber vorläufig den weiteren Einsatz der umstrittenen Technik, wenn den Kunden eine Möglichkeit zum Widerspruch gegeben wurde. Diesen Kompromiss ersetzte die Bundesbehörde im Herbst dann durch eine konsumentenfreundliche Vorschrift, die die explizite Zustimmung der Kunden per Opt-In-Verfahren vorsah. Die neuen Regeln sollten 2017 in Kraft treten.

Gegen die Regelung protestierten sowohl Provider als auch Werbebranche. Ihre Lobbyisten konnten sich bei den Republikanern durchsetzen, die in beiden Parlamentskammern die Mehrheit stellen. "In unseren zahlreichen Eingaben betonten wir immer wieder, dass die Vorschriften die Nutzer einer Kanonade von Opt-In-Anforderungen aussetzen würden, was sehr störend und nicht hilfreich ist", heißt es in einem Statement der Association of National Advertisers.

Auch Ajit Pai, der neue Chef der FCC, hatte für die Aufhebung der Regulierung geworben. So sei es unsinnig, dass für die Provider strengere Vorschriften gelten als für Internetunternehmen wie Google und Facebook. Deren Datensammlungen waren von den neuen Privatsphäre-Regelungen nicht betroffen. "Amerikanische Konsumenten sollte nicht Anwälte oder Ingenieure sein müssen, um zu wissen ob ihre Daten geschützt sind", erklärte der von der Regierung Trump eingesetzte Behördenchef.

Die Bürgerrechtler von der Electronic Frontier Foundation (EFF) halten die Aufhebung jedoch für desaströs. Sie befürchten einen Dammbruch. So sei zu befürchten, dass die Provider ohne klare Regeln nicht nur die Nutzerdaten verkaufen, sondern auch gegen Bezahlung in den Datenstrom der Kunden eingreifen. Als Beleg verweist die EFF auf zahlreiche solcher Praktiken aus der Vergangenheit.

Mit einer Anrufkampagne will die Organisation in letzter Minute Abgeordnete überzeugen, gegen die Abschaffung der FCC-Regeln zu stimmen. Die Chancen dafür stehen aber schlecht: So hat der Senat exakt nach Parteizugehörigkeit abgestimmt – und im Repräsentantenhaus haben die Republikaner eine größere Mehrheit als im Senat.

Der Kampf um die FCC-Regeln dürfte der erste in einer ganzen Reihe von Auseinandersetzungen um digitale Bürgerrechte sein. So hat der FCC-Chef einen radikalen Wechsel von der verbraucherbetonten Politik seines Vorgängers Tom Wheeler angekündigt und will die Telecom-Aufsicht industriefreundlicher ausgestalten. So will er auch gegen die bisher strikten Regeln zur Netzneutralität vorgehen. (mho)