Private Kopien in der EU bleiben straflos (Update)
Private Kopien bleiben nach einer Richtlinie, die das EU-Parlament verabschiedete, auch im Zeitlater des Internet und digitaler Medien erlaubt.
Internet-Nutzer innerhalb der Europäischen Union dürfen künftig straflos Songs und Texte für den Privatgebrauch auf den Computer laden. Das sieht eine EU-Richtlinie zum Schutz des Urheberrechts vor, die das Europaparlament am Mittwoch in abschließender Lesung billigte. Demnach sind Privatkopien für "nichtkommerzielle Zwecke" erlaubt. Die Rechteinhaber und Künstler müssen dafür aber einen "gerechten Ausgleich" erhalten. Allerdings konnten sich die EU-Gremien nicht auf einheitliche Regelungen einigen, wie dies zu geschehen habe: Dies bleibt der Richtlinie zufolge, die unter dem sperrigen Titel "Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft" firmiert, jedem Mitgliedsstaat selbst überlassen. Mit der nun verabschiedeten Richtlinie folgt das EU-Parlament weitgehend der Vorlage der EU-Kommission, die Anfang Februar vom Rechtsausschuss des Parlamanets in dem beraten wurde. Die Definition erlaubter privater Kopien will das Parlament aber "weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke" eingesetzt sehen – möglicherweise eine Anspielung auf die Auseinandersetzungen um die Musik-Tauschbörse Napster.
Von den dem Parlament durch den Rechtsausschuss zur Beschließung vorgelegten Änderungsanträgen wurden nur neun angenommen, die sich weitgehend auf die Nennung von Urhebern bei Zitaten bezogen. Die EU-Parlamentarier verzichteten damit allerdings auf einige Verbesserungen, die der Rechtsausschuss vorgeschlagen hatte. So sollten Staaten wie Deutschland oder Österreich verpflichtet werden, gegen technische Maßnahmen der Rechteinhaber vorzugehen, die legale Kopien für private Zwecke behindern. Für neue Urheberrechtsabgaben, wie sie beispielsweise hierzulande zur Debatte stehen, hätte einem weiteren nicht angenommen Vorschlag zu Folge künftig die EU-Kommission in Brüssel konsultiert werden sollen.
Beschnitten werden durch die Richtlinie die Verwertungsrechte der Rundfunk- und Fernsehanstalten. Diese müssen künftig für alle Archivstücke wie Konzertmitschnitte und Hörspiele die Rechte für die digitale Ausstrahlung oder Internetnutzung im jeden Einzelfall mit den Copyright-Inhabern neu verhandeln. Ein Antrag der Christdemokratischen Fraktion, alle Rechte für Archivmaterial von vor 1996 davon auszunehmen, fand keine Mehrheit. Der Europaabgeordnete Klaus Heiner Lehne (CDU) bezeichnete dies in einer ersten Stellungnahme gegenüber dpa als "Bedrohung des europäischen Kulturerbes". Künftig müsse jeder Fernsehsender vor der digitalen Ausstrahlung seines Archivmaterials mit den Rechteinhabern über die Senderechte verhandeln. "Vieles aus den Archiven bleibt dann für den Zuschauer und Zuhörer unerreichbar", befürchtet Lehne.
Mit der Urheberrichtlinie wird erstmals innerhalb der EU das Urheberrecht auch auf digitale Medien und das Internet ausgedehnt, das bisher rechtlich nicht geregelt war. Die Mitgliedsstaaten müssen sie innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umsetzten. Nach weiteren 18 Monaten soll überprüft werden, ob die Regelung praktikabel ist. Die dreijährigen Vorarbeiten zu der Richtlinie waren einem ungewöhnlich Druck der Lobbyisten ausgesetzt. Auch Musiker wie Marius Müller-Westernhagen, Achim Reichel oder Heinz-Rudolf Kunze versuchten, im Einklang mit den Unterhaltungskonzernen und Filmrechteinhabern wie Leo Kirch die Verhandlungen zu beeinflussen. Dem stand eine Allianz aus Verbraucherorganisationen und Herstellern von Hardware entgegen.
Die Künstler befürchten, dass etwa Songs aus dem Internet angeblich zum Privatgebrauch heruntergeladen und dann massenhaft per E-Mail an Freunde verschickt werden, ohne dass an die Künstler dabei eine einzige Mark gezahlt wird. Verbraucherschützer dagegen argumentierten, dass die Konsumenten bereits jetzt beim Kauf von CDs und Geräten eine Abgabe für Kopien bezahlten. Die meisten Änderungswünsche am ursprünglichen Entwurf zu der Urheberrichtlinie, die größtenteils durch die Lobbygruppen der Unterhaltungsindustrie veranlasst wurden, verwarf aber schon der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments. (jk)